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Meinung: Risikoklientel

Betrifft: „Möllemann stürzt in den Tod“ im Tagesspiegel vom 6. Juni 2003 Der Tod Jürgen W.

Betrifft: „Möllemann stürzt in den Tod“ im Tagesspiegel vom 6. Juni 2003

Der Tod Jürgen W. Möllemanns – und Suizid scheint hier mehr als nur ein Verdacht zu sein – zeigt auf tragische Weise, dass Politiker offensichtlich eine Risikoklientel sind. Die Politikerspezies, die einen Sitz im Parlament oder gar ein Ministeramt als Krönung eines zufriedenen Berufslebens ansieht, ist schon lange ausgestorben. Wer nicht mit 14 in der Jugendorganisation einer Partei ist und noch eine Quote erfüllt, ist wohl mehr als zu spät dran. Das Resultat sind Politiker, die von ihrem Status abhängig werden und Grenzen nicht mehr wahrnehmen können.

Dass Macht trunken macht, liest man in den Biografien vieler Politiker. Der Politiker, der sich eben noch im heimischen Wahlkreis von seinen Wählern auf einem Schützenfest feiern ließ, fällt in ein tiefes Loch, wenn er in der Anonymität der Hauptstadt in seinem Apartment versinkt. Deswegen wäre es richtig, wenn solchen Menschen von ihren Parteien oder dem Parlament Kontaktmöglichkeiten geboten werden würden, die Realitätsrisse oder Burnout-Syndrome frühzeitig verhindern. Jeder vernünftige Betrieb hat eine Alkoholberatung und vielleicht noch einen Mobbingbeauftragten. Warum sollte man den Repräsentanten unserer Demokratie nicht eine ähnliche Fürsorge anbieten.

Manfred Neumann (Dipl.-Psych.), Berlin

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