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Lesermeinung: Debatte um Bürgerbefragung zum Standort von Landtagsneubau und Schloss

„Vom Stadtschloss lernen“, 10. Januar 07Dass ein Potsdamer Architektur-Professor die originalgetreue Wiederherstellung des Schlosses fordert und sich unverblümt als Gutachter anbietet, ist legal.

„Vom Stadtschloss lernen“, 10. Januar 07

Dass ein Potsdamer Architektur-Professor die originalgetreue Wiederherstellung des Schlosses fordert und sich unverblümt als Gutachter anbietet, ist legal. Legal muss aber auch das Bestreben sein, zu finanziell möglichen und verkehrstechnisch machbaren Lösungen zu kommen. Wenn heute und zwar nicht nur für die zu errichtende Baugrube Baufreiheit bestünde, ausreichende finanzielle Mittel vorhanden wären und eine verkehrsmäßig etwa gleichartige Lösung in Aussicht stünde, würde die Zustimmung der Potsdamer für das Stadtschloss vermutlich höher ausfallen. So aber zeigt das Interview eine erschreckende Realitätsferne und akademische Überheblichkeit, die wenig förderlich und nur schwer erträglich ist, wenn unterstellt wird, dass „nicht alle Beteiligten das Schloss verstanden haben“ und den Beteiligten „geistige Armut“ unterstellt wird.

An den Fragen des Redakteurs hat es nicht gelegen, die waren präzise und kritisch und ließen einen eigenen Standpunkt erkennen – das einzig Lesenswerte.

Gisela Walther, Potsdam

Baut den Landtag in die Mitte – mit originalgetreuer Nordfassade!

16 Jahre Diskussion reichen! Während wir ein Großprojekt nach dem anderen totreden, hat Dresden wieder eine Frauenkirche. Nach der Abstimmungsfarce diskutiert die PDS über ihr Verhalten zum eindeutigen Bürger-Votum. Als nächstes wird der Wahlsieg einer Partei angezweifelt, weil die Wahlbeteiligung nur 45 Prozent beträgt. Um nicht selbst ins ergebnislose Labern zu verfallen, hier mein Vorschlag: Baut den Landtag in die Mitte! Baut auf dem ehemaligen Schlossareal ein Gebäude mit originalgetreuer Nordfassade – das Fortunaportal steht ja schon (danke dafür!) – und unter Verwendung vorhandener Originalbauteile, so dass man von weitem das Stadtschloss wähnt, beim Näherkommen aber die Gegenwart sieht. Damit zeigen wir Respekt vor dem Weltkulturerbe, aber auch den Blick für die Notwendigkeiten des modernen Lebens.

Alexander Richter, Dipl.-Rechtspfleger (FH), Potsdam

Architekten mit Gespür

Mit dem Landtagsbau geht es zugleich um die „Aufweitung“ des heutigen Zeithorizonts und darum, inwieweit die heutigen Architekten über ihren Schatten springen können. Unabhängig davon, ob nur alt oder eine Kombination von alt und neu zum Tragen kommt: Entscheidend wird sein, ob die Architekten, die hier zu Werke gehen, ein Gespür für diesen Ort haben, ob sie abstrakten Bauprinzipien folgen oder ob sie einen gefühlsmäßigen Zugang finden. Ein solches Gespür ist angebracht, wenn an diesem geschichtsträchtigen Ort für Jahrhunderte gebaut wird.

Helmut Krüger, Potsdam

Was will man eigentlich?

Grundproblem ist die Frage: Was will man eigentlich? Ein Stadtschloss im Original oder ein Parlamentsgebäude in seinen grundlegenden Funktionen.

Beides in einem funktioniert nicht. So lange man nicht weiß, was man will, stellt sich nicht die Frage des Standortes. So lange Landtag und SVV keine übereinstimmende Auffassung haben, ist jede Bürgerbefragung ohne Sinn.

Joachim Allrich, Potsdam

Die Möglichkeit einer originalgetreuen Kopie soll offen bleiben

Bei der Bürgerbefragung sprach sich eine relative Mehrheit von zirka 40 Prozent für das Schlossareal auf dem Alten Markt aus. Die Befürworter werten das als plebiszitäre Entscheidung für sich. Ist das gerechtfertigt? Nach den Regeln der Arithmetik und der Demokratie bedeutet eine relative Mehrheit immer noch eine Minderheitenposition. Fast 60 Prozent der Teilnehmer sprachen sich für andere Standorte aus, damit das Schlossareal nicht durch einen modernen Bau besetzt wird. Die Möglichkeit einer originalgetreuen Kopie soll offen bleiben. In der Speicherstadt besteht dringender Handlungsbedarf. Abseits der Touristenpfade darf sich moderne Architektur erproben. Hätten die Alternativen eindeutig gelautet, das heißt Annahme oder Ablehnung des Bebauungsplanes mit einem modernen Landtagsgebäude, lediglich in den Ausmaßen des Stadtschlosses, wäre die Befragung so negativ ausgegangen, wie die der Stadtverordneten. Wahrscheinlich wurde es bewusst so angelegt, dass die unerwünschten Gegenvorschläge sich gegenseitig die Stimmen wegnehmen.

Man kann sich ausmalen, was weiter geschieht: An Potsdams Ursprung, dem Quartier zwischen Burgstraße und Fischerstraße, prägte lange Zeit die Heiliggeistkirche das Umfeld. Der angestammte Platz dieser Kirche wurde durch Investoren mit einem modernen Zweckbau in den ungefähren Dimensionen des Vorgängerbaues besetzt. Eine Minderheit jubelte. Der Platz ist verbaut und eine Kopie der Heiliggeistkirche auf lange Sicht unmöglich geworden. Das Gleiche droht dem Schlossareal.

Dr. Bernd-R.Paulke, Potsdam-Eiche

Parteipolitische Ränkespiele und Klientelpolitik

Wer heute die Potsdamer Mitte betrachtet den schmerzt die aktuelle Debatte. Vor dem Hintergrund parteipolitischer Ränkespiele riskieren Teile der politischen Klasse ein langjähriges Abstimmungsprocedere ad absurdum zu führen, indem grotesk anmutende Standortalternativen instrumentalisiert werden, um eine Klientelpolitik zu betreiben und bei dieser Gelegenheit eine provinziell anmutende Selbstfindung zu inszenieren. Stattdessen mein Plädoyer für eine Neubesinnung auf die Qualitäten des Schlossbaus: Dessen Abwesenheit provoziert nicht nur auf Grund seiner städtebaulichen Dramaturgie einen nachhaltigen Phantomschmerz.

Diesen Schmerz durch eine lediglich am Stadtgrundriss orientierte moderne Bebauung lindern zu können, setzt ein erhebliches Maß an Naivität voraus, denn nur durch eine Besinnung auf die vor allem architektonischen Qualitäten des Schlosses wird die Mitte Potsdams ihre eigentliche Bedeutung jenseits funktionaler Bedürfnisse gewinnen können. Im Grunde ist dies allen Beteiligten bewusst. Die Chance, den Landtag am Ort des Stadtschlosses zu etablieren, ist einmalig. Sie eröffnet die großartige Perspektive, dass Potsdams Mitte sich wieder zu einer der schönsten Innenstädte Europas entwickeln kann, einhergehend mit einem neuen Bürgerstolz.

Prof. Bernd Albers, Dipl. Ing. Architekt, Fachhochschule Potsdam

Große Schande

Es ist nicht zu glauben, dass Potsdam eine so große Schande zugefügt werden soll, den historischen Stadtschlossbau mit modernen Teilen zu kombinieren! So eine Stümperei würde ein absolutes Armutszeugnis bedeuten! Was für ein Zeugnis würden spätere Generationen einer solchen Baustilsünde ausstellen? Ehe eine so unmögliche Geschmackverirrung Realität würde, sollte (leider) auf den Wiederaufbau verzichtet werden.

Margot Schmidt-Kroll, Potsdam

Ratlosigkeit der PDS-Parteispitze

Mit großer Befriedigung las ich das Ergebnis der Befragung. Es zeigt deutlich, dass in Potsdam doch viele vernünftige Menschen leben, denen eine attraktive Mitte am Herzen liegt. Es zeigt aber auch, dass sich die PDS zu sicher war, ihre Mitglieder auf Parteikurs zu bringen. Wenn jetzt Frau Tack 52 Prozent Nichtwähler als Schlossgegner sehen will, so zeigt das die Ratlosigkeit der Parteispitze. N. Zander, Potsdam

PDS und Mehrheit der Potsdamer erkannten manipulativen Charakter der Umfrage

Nach dem zweimaligen „Nein“ der Stadtverordneten und der Farce namens „Bürgerbefragung“, welche wohl einzig dazu dienen sollte, der PDS das Umkippen ohne Gesichtsverlust zu ermöglichen, sieht es so aus, als wäre einzig ein standhaft geschlossenes „Nein“ der PDS-Fraktion, die Möglichkeit, politisch unbeschadet aus diesem Ränkespiel herauszukommen.

Die PDS-Basis und die breite Mehrheit der Potsdamer haben den manipulativen Charakter der städtischen Umfrage erkannt und würden ein Umkippen wohl mit einer Schelte bei der nächsten Kommunalwahl quittieren. Denn, dass Potsdam das Landtagsschloss nicht will, dürfte mittlerweile wohl auch dem letzten Hinterbänkler bekannt sein.

Die Chance, das Gesicht zu wahren, hat die PDS letztlich nur mit einer Stichwahl, oder dem konsequenten „Nein“ zum Schloss und der damit verbundenen Anerkennung des Willens von über 57 Prozent der Potsdamer.

Andreas Wiedener, Potsdam

Planung für Speicherstadt als Nebeneffekt

Es wird immer so gerechnet dass es passt, so ist der Eindruck. Interessant sind die Nebeneffekte der Aktion. Ich kenne das Areal der Speicherstadt als Schandfleck. Was der Tourist, von dem ja die Stadt lebt, zuerst sieht, ist vernichtend. Nun auf einmal setzt für dort ein heftiges Planen ein. Vielleicht weil von den Gegnern des Alten Marktes viele für diesen Standort waren. Ablenkungsmanöver von der Manöverkritik?

Wenn es nun zum zweiten Mal einen Planungsanlauf für dieses Areal gibt, bleibt zu hoffen, dass es diesmal etwas wird. Wenn dann das Stadtschloss mit Landtag auf dem Alten Markt stehen, wird die Differenz im Eindruck des Touristen vielleicht nicht ganz so groß sein. So hätten die Befürworter der Speicherstadt letztendlich doch noch Gutes für ihre Stadt erreicht.

Bernd Seidel, Potsdam

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