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Meinung: Lieber Friedrich Merz! Warum die CDU ihren eloquentesten Liberalen braucht

Die Nachricht, dass Sie keine Politik mehr machen wollen, ist keine gute für das Land. Nicht, dass ich immer mit Ihnen übereingestimmt hätte, Ihr triumphierender Marktliberalismus hat mich oft geärgert.

Die Nachricht, dass Sie keine Politik mehr machen wollen, ist keine gute für das Land. Nicht, dass ich immer mit Ihnen übereingestimmt hätte, Ihr triumphierender Marktliberalismus hat mich oft geärgert. Für die Schwachen hatten Sie politisch nicht viel übrig, Ihre Leidenschaft galt den Eigenständigen und Selbstverantwortlichen. Als Norbert Blüm in Leipzig allein das Banner der sozialen Gerechtigkeit hochhielt, feierten Sie Ihren größten Triumph, aus der CDU wäre fast eine liberale Partei geworden. Dass Sie jetzt, wo das Blüm’sche Erbe in Ihrem Landesverband wieder gepflegt wird, aufgeben wollen, ist falsch, falsch für die Partei wie für das gesellschaftliche Gleichgewicht. Denn so wie die CDU ganz unabhängig von der großen Koalition den Katzer-Flügel braucht (Hans Katzer, Mitbegründer der CDU, hatte sich vor allem in den Sozialausschüssen engagiert), um mehrheitsfähig zu sein, bedarf sie des Wirtschaftsflügels, dem Sie Ihre unüberhörbare Stimme gegeben und mit geschliffener Rhetorik um einen Bierdeckel populär gemacht haben.

Mit Jörg Schönbohm geht der letzte prominente Wertkonservative von Bord, mit Friedrich Merz der eloquenteste Liberale. Die CDU als Volkspartei braucht aber diese Flügel. So wenig sie allein von der Kopfpauschale leben kann, so wenig kann sie ohne liberales Korrektiv überleben. Sie war immer dann am erfolgreichsten, wenn das Parallelogramm der Kräfte funktionierte, wenn ihre Flügel sich in einem – wenn auch labilen – Gleichgewicht befanden. Die Volkspartei, lieber Friedrich Merz, darf nur selten in richtig und falsch einteilen, ihre Politik sollte immer mehr oder weniger freiheitlich oder eben mehr oder weniger fürsorglich sein.

Mag sein, dass aus Ihrer und manch anderer Sicht in der großen Koalition die Waagschale der Freiheit zu sehr nach oben steigt und die der sozialen Fürsorglichkeit zu sehr nach unten drückt; umso wichtiger wäre gewesen, dass das Gewicht von Friedrich Merz auf der Waagschale von Freiheit, Selbstverantwortung und Ungleichheit diese wieder nach unten zieht. Um eine Anleihe bei Voltaire zu nehmen: Auch wenn man das, was Sie fordern, für falsch hält – zu schweigen ist tausendmal schädlicher für das Gemeinwesen. Die Volkspartei lebt aus diesem inneren Widerspruch, bleibt er aus, erlahmt die Spannkraft für alles – die Ordnung, die Freiheit und die Gerechtigkeit.

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