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Meinung: Madonna und das Kind

Warum die Debatte um den Adoptivsohn des Popstars verlogen ist

Von Antje Sirleschtov

Das ist der Stoff, aus dem die modernen Skandale gemacht sind: Ein kleines Kind, eine Halbwaise, von seinem afrikanischen Vater ins Kinderheim gebracht, weil er selbst nicht in der Lage ist, es zu ernähren und aufzuziehen. Und ein Star, so unermesslich reich, dass er sich wahrscheinlich alles auf der Welt kaufen kann, was für Geld zu haben ist. Wenn diese beiden, das Kind namens David und der Popstar Madonna, aufeinandertreffen, dann wird die Öffentlichkeit wach. Und sie wittert Intrigen, sie moralisiert und sie neidet. Wie viel Korruption war wohl im Spiel? Welche Beamten wurden bestochen dafür, dass Madonna im Hauruckverfahren einen kleinen Jungen aus Malawi adoptieren konnte? Wo bleibt die Gerechtigkeit – für die Menschen in Afrika und natürlich auch für die vielen westeuropäischen Paare, die jahrelang und nach aufwendigen Prozeduren vergeblich auf ein Adoptivkind warten?

Nur eine Frage stellt sich niemand: Die nach dem Kind, nach diesem Kind. Irgendwo da draußen in der Welt lebt ein kleiner Junge, dessen Vater so viel Liebe für seinen Sohn aufbrachte, dass er ihm die Chance auf ein besseres Leben bieten wollte, als er es ihm selbst ermöglichen kann. Satt sein und Medizin bekommen: so wenig kann ein besseres Kinderleben schon ausmachen – in Malawi genauso wie direkt vor unserer Wohlstandstür. Oder in Russland, in Bulgarien, in Rumänien und überall sonst, wo Eltern ihre Kinder in Waisenhäuser bringen, damit sie satt werden und im Winter nicht frieren müssen.

Dieses eine Kind bekommt jetzt eine Chance auf mehr. Es wird zur Schule gehen, andere Länder kennenlernen, es wird die Wärme und Geborgenheit einer Familie, eines Zuhauses, erfahren. Wer will ihm das verwehren? Haben Madonnas Kritiker diesem kleinen Jungen eine ähnliche Chance angeboten, jetzt, wo sie die schreckliche Lage aller Waisenkinder Afrikas lautstark anklagen und Madonna vorwerfen, sie hätte dem Vater des Kindes lieber einen Scheck ausstellen sollen statt die Adoption zu betreiben? Sie haben es nicht. Genauso wenig, wie die, von denen man nun hört, sie kritisierten, dass Madonna das Kind außer Landes bringen konnte, wo doch ein ordentliches Adoptionsverfahren in Malawi die sechsmonatige Anwesenheit des Antragstellers in Afrika verlangt. Sollen die Lebenschancen dieses einen kleinen Kindes gegen bürokratische Regeln aufgewogen werden?

Es ist eine verlogene und eine heuchlerische Diskussion, die sich an dieser Adoption entzündet. Verlogen, weil sie die ehrliche Sorge der so genannten reichen Welt für die Waisenkinder in bittersten Umständen vorgibt. Und heuchlerisch, indem sie so tut, als würde es diesen Kindern helfen, wenn sich nur alle sklavisch an die Spielregeln hielten, die in Verordnungen und Gesetzen aufgeschrieben stehen. Westeuropäische Adoptionsinteressenten interessieren sich nämlich zu weit über 90 Prozent nur für weiße Babys. Und gesund müssen sie sein. Malawi mit möglichem Aidshintergrund steht ganz unten auf der Warteliste.

Ob der Popstar mit dem vielen Geld eine gute Mutter für den kleinen Jungen sein wird, spielt hierbei genauso wenig eine Rolle wie die Frage, ob der berühmte Ex-Bundeskanzler namens Schröder ein guter Vater für sein zweites Adoptivkind – einen russischstämmigen Jungen – sein wird, den er adoptieren konnte, als er bereits 61 und damit nach deutschen Adoptionsregeln kein geeigneter Bewerber mehr war. Darauf müssen Eltern und Kinder später eine Antwort finden. In dem einen wie dem anderen Fall gab es in Waisenhäusern, in Jugendämtern und Vormundschaftsgerichten Menschen, die im Staatsauftrag die Verantwortung für die Waisenkinder übernommen und verantwortlich entschieden haben, diese Kinder diesen Eltern anzuvertrauen. Ihrem Urteil sollten die Beobachter zuallererst einmal vertrauen. Kinder- oder moderner Sklavenhandel, der in solchen Fällen immer gern unterstellt wird, sieht ganz anders aus.

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