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Meinung: Matthies meint: Der Staat lässt saufen

Der demokratische Sozialstaat, so weiß ein altes, sozialistisch gemeintes Spottwort, erlaube es in seiner Weisheit Reichen wie Armen gleichermaßen, unter den Brücken zu schlafen. Dennoch machen die Reichen wenig Gebrauch von dieser egalitären Regelung, und so hat sich die Auffassung durchgesetzt, dass das Schlafen unter den Brücken ganz generell negativ zu bewerten sei.

Der demokratische Sozialstaat, so weiß ein altes, sozialistisch gemeintes Spottwort, erlaube es in seiner Weisheit Reichen wie Armen gleichermaßen, unter den Brücken zu schlafen. Dennoch machen die Reichen wenig Gebrauch von dieser egalitären Regelung, und so hat sich die Auffassung durchgesetzt, dass das Schlafen unter den Brücken ganz generell negativ zu bewerten sei. Aber wie geht man dagegen vor? Der Rat des Londoner Stadtteils Camden packt das Übel jetzt bei der Wurzel: Die Alkoholiker, meint man dort, hängen nur deswegen draußen herum, weil sie jemanden zum preisgünstigen Saufen suchen. Wären die Kneipen billiger, würden sie ganz bestimmt umgehend damit aufhören. Also richtet Camden gemütliche Trinkstuben ein, in denen man eigenen Sprit einnehmen kann und Bier zum Sonderpreis bekommt, mit freundlicher Unterstützung der örtlichen Brauerei. Die Straßen leeren sich alsbald, aber noch stehen überall die Raucher herum, die in Büros und Wohnungen nicht mehr geduldet werden. Zeit für kommunikative Raucherstuben mit verbilligten Zigaretten! Sofort! Auch in Deutschland! Und dann müssten natürlich auch all die Junkies weg. Findet sich ein nicht irgendwo ein sozial eingestellter Heroin-Großhändler, der das Zeug billiger herausrückt, wenn der Stadtrat nur nett bittet? Wir sehen: Sozialpolitik ist machbar. Und unter den Brücken wird dann bald wieder Platz für die Reichen sein.

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