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Matthies meint: Freiheit für die Alpenveilchen!

Dem Sommerloch geht es schlecht - zum Glück gibt es da diesen Blumenkübel.

Dem Sommerloch geht es nicht gut. Halb Russland brennt, Pakistan geht unter, und auch das Hauen und Stechen in der Christenunion ließe sich je nach Blickwinkel durchaus als Flächenbrand oder anschwellende Flutwelle interpretieren. Es ist viel zu viel los für die kleinen Meldungen von riesigen Sonnenblumen und zweiköpfigen Katzen, und selbst von Rainer Brüderle war schon zwei Stunden lang kein Wort zu hören (Stand 6. August, 16 Uhr).

Es muss also wohl das Sommerloch selbst gewesen sein, das sich jetzt Bahn gebrochen und dem Schicksal eines zerbrochenen Blumenkübels im Münsterland zu Weltgeltung verholfen hat. Es begann mit einer Zeitungsmeldung über diesen Akt von Vandalismus vor einem Altenheim, der Schaden liegt bei 150 Euro, also etwa das Äquivalent von drei Sack Reis, die in Huangzhou umfallen.

Noch vor ein paar Jahren hätten wir gesagt, dass es sich um eine innere Angelegenheit des Münsterlands handelt – heute partizipiert die Welt. Twitter! Facebook! Der Blumenkübel rührt die Gemeinde, per Youtube-Video bekennt sich ein Maskierter im Namen des Kommandos „Free the Flowers“ zu der ruchlosen Tat, zertrümmert einen weiteren Übertopf und verlangt, die Menschheit müsse sofort aufhören, harmlose Blumen überhaupt in Kübel zu pferchen.

Die Facebook-Fanseite zum Thema hatte gestern Nachmittag schon 3000 Anhänger gefunden, Nachrichtenagenturen berichteten, Spender schleppten neue Kübel an den Ort des Schreckens – es ist also heute durchaus möglich, berühmt zu werden, auch wenn man nicht jung und hübsch ist und kein Liedchen trällern kann wie Lena, sondern nur aus Ton besteht und zertreten daliegt.

Wie sehen die Karrierechancen aus? In Reykjavik hat kürzlich ein Komiker die Bürgermeisterwahl gewonnen, dessen Hauptforderung Gratis-Handtücher für die Schwimmbäder der Stadt waren. Wenn so etwas geht, dann steht die Politik auch Blumenkübeln offen, die den geknechteten Alpenveilchen die Freiheit geben und ansonsten nur auf ihre unfassbare Facebook-Popularität verweisen müssen. Demnächst, wer weiß, wird in Bayern ein neuer Ministerpräsident gebraucht. Wäre das nicht die Chance für einen mächtigen blau-weißen Übertopf?

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