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Mehr in der Kasse. Gute Laune bei Wolfgang Schäuble

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Mehr Staatseinnahmen: Sparen, bilden, Steuern senken

Es war lange Tradition in der deutschen Haushaltspolitik: In Aufschwungzeiten wurde das Geld munter ausgegeben und das Sparen verschoben. Das ist nun vorbei. Ein Kommentar.

Von Antje Sirleschtov

Wer hätte das vor zehn Monaten gedacht: Die Fließbänder rauschen im Dreischichtbetrieb, in Asien wird deutsches Know-how gesucht, in deutschen Warenhäusern klingeln die Kassen wie in den letzten beiden Jahren nicht mehr. Ja, es gerät zur Gewissheit, was eben noch ein Gefühl war – die große Krise, ausgelöst durch den Zusammenbruch der Weltfinanzmärkte 2008, geht hierzulande zu Ende. Und wenn es zum Beleg dafür noch einer Zahl bedarf, hier ist sie: 61 Milliarden Euro Steuern wird der Staat in den kommenden zwei Jahren mehr einnehmen. Wohlgemerkt 61 Milliarden über das hinaus, was er ohnehin schon eingeplant hat.

Es irrt allerdings, wer jetzt frohlockt, nun brächen die Zeiten an, in denen der Silberschatz verteilt werden kann. So war es lange Tradition in der deutschen Haushaltspolitik. Gleichgültig, ob nun Sozialdemokraten, Christen, Grüne oder Liberale am Ruder saßen, in Aufschwungzeiten wurde das Geld munter ausgegeben und das Sparen regelmäßig verschoben. Getreu dem Motto, man dürfe den Wirtschaftsboom doch nicht abwürgen durch allzu großen Geiz bei staatlichen Investitionen, ob nun in Straßen oder mehr soziale Gerechtigkeit. Und ebenso wenig die Wähler vergrätzen. Die bittere Wahrheit ist, dass so und nicht anders unser Schuldenberg entstand. Das ist nun vorbei. Regierungen, ob im Bund oder in den Ländern, müssen nun sparen. Dazu zwingt sie jetzt das Grundgesetz. Schuldenbremse heißt der entsprechende Artikel und gerade jetzt, im Aufschwung, wird er zur segensreichen Zwangsbegrenzung für umtriebige politische Gestaltungswut. Denn Sparen in der Krise ist bekanntlich viel leichter als in Zeiten, in denen der Rubel rollt.

Dass Wolfgang Schäuble und seine Finanzkollegen in Ländern und Kommunen nun jeden überzähligen Euro zur Bank tragen müssen, um die Schuld zu tilgen, eine solche Erwartung wäre natürlich auch naiv. Politik muss Zukunft gestalten, das kostet Geld. Und es gibt viele gesellschaftliche Bereiche, für die der Staat Verantwortung trägt, die unterfinanziert sind. Ganz vorn einer, in dem die Grundlagen für unseren künftigen Wohlstand gelegt werden: die Bildung. So- lange Regelschule nicht flächendeckend ganztags funktioniert, Lehrermangel den Alltag bestimmt und Kinder, ob hoch begabt oder leseschwach, zur anonymen Nummer in einem überforderten System werden, muss der Staat mehr investieren. „Bildungsrepublik“ nannte das die Kanzlerin. Dieser Aufschwung liefert Angela Merkel die finanziellen Mittel, zu beweisen, wie ernst es ihr damit ist. Mehr Geld für Bildung, das ist eine Aufschwungrendite, die allen nutzt. Hier, aber nur hier, sollte mehr Geld ausgegeben werden, als an anderer Stelle eingespart wird.

Über diesen Weg – Geld ausgeben und gleichzeitig sparen – könnte sogar das schwarz-gelbe Wahlversprechen der Steuersenkung aus seiner Legitimationskrise herausgeführt werden. Es wäre Zeit dafür. Denn wer wollte widersprechen, dass es ungerecht und leistungsfeindlich ist, wenn Facharbeiter, Ingenieure und andere Mittelverdiener besteuert werden wie Besserverdienende. Von diesen ganz normalen Leuten lebt dieses Land, lebt dieser Aufschwung. Sie arbeiten, zahlen Steuern, Abgaben, Kitabeiträge, Schulbücher und jeden Klassenausflug. Ihnen steht zu, dass sich Politik ernsthaft mit der Möglichkeit ihrer steuerlichen Entlastung auseinandersetzt. Vor allem, wenn Union und FDP regieren. Und auch dann, wenn der Preis dafür die Anhebung des Spitzensteuersatzes ist.

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