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MEIN Blick: Den Großen hilft man... ...die Kleinen überlässt man der Krise

Weil verantwortungslose Bankmanager alles verjubelt haben, was man hätte enteignen können, sollen nun wenigstens die Steuermilliarden vor dem Zugriff privater Krisengewinnler geschützt werden.

Es ist kaum noch komisch. Da ist von einem Tabubruch die Rede, von einem Sündenfall, von einem auch durch hundert Konjunkturpakete nicht wieder- gutzumachenden Schaden für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Doch worüber sich FDP, manche Christdemokraten und die Wirtschaftsverbände ereifern, ist nicht das von den Bankmanagern der Hypo Real Estate (HRE) angerichtete Desaster, sondern das von der Bundesregierung auf den Weg gebrachte Finanzmarktstabilisierungsgesetz, vulgo Enteignungsgrundlage für die zugrunde gerichtete Bank. Es könnte künftige Investoren abschrecken, sagen die Kritiker.

Einmal abgesehen davon, dass das Grundgesetz seit 60 Jahren aller Ludwig-Erhard-Rhetorik zum Trotz einen solchen Tabubruch schnörkel- und umstandslos vorsieht – was wird eigentlich enteignet, wenn das Gesetzesvorhaben schließlich Gesetz werden sollte? Enteignung ist nach landläufiger Definition die Überführung von Privateigentum in öffentliches Eigentum zum Wohle der Allgemeinheit. Doch das Privateigentum der HRE und ihrer Aktionäre hat sich längst in Luft aufgelöst, ist im Rauch der gewaltigsten Kapitalverbrennung der Nachkriegszeit aufgegangen. Penny-Stocks nennt man den verbliebenen Aktienwert an der Börse.

Weil verantwortungslose Bankmanager alles verjubelt haben, was man hätte enteignen können, sollen nun wenigstens die an die Stelle des aufgezehrten privaten Kapitals tretenden Steuermilliarden vor dem Zugriff privater Krisengewinnler – also derer, die ohne staatliche Hilfe schon am Ende wären und nun auf eine steuerfinanzierte Wiederbelebung hoffen – geschützt werden. Und über eine solche Enteignung vergießen manche Krokodilstränen. Wenn der Ideologievorwurf berechtigt ist, dann hier. Wie heißt das Sprichwort: „Es geschieht meiner Mutter ganz recht, wenn ich mir die Finger erfriere. Warum kauft sie mir keine Handschuhe?“

Manchmal wünscht man sich in diesen Tagen – wider alle volkswirtschaftliche Einsicht –, dass uns allen die Finger abfrieren, statt dass Mutter Staat immer neue Handschuhe aus sauer verdienten Steuermilliarden bastelt, um sie heillos zerrütteten Immobilienfinanzierern, größenwahnsinnigen Familienunternehmerinnen oder angeschlagenen Großbanken überzuziehen, getreu der Volksweisheit: Die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen. Oder finanzmarktgerecht: Den Großen hilft man, die Kleinen überlässt man dem Markt und der Krise.

Im Ernst: Es wird Zeit, aller Systemrelevanz zum Trotz, diejenigen untergehen zu lassen, die noch nach der Hand beißen, die sie füttert. Vielleicht müssen wir wirklich erst alle unsere Finger verloren haben, ehe moralische Besserung in Sicht ist. Das dafür passende Sprichwort lautet: Nur aus Schaden wird man klug. Offenbar ist der Schaden noch nicht groß genug.

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