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MEIN Blick: Die Hypnose wirkt – noch

Der Unmut über Merkels Politik wächst.

Spricht man in diesen Tagen mit Abgeordneten der Koalition, die der plötzlichen Energiewende wie den immer neuen Milliarden-Schirmen für Griechenland und den Euro skeptisch bis ablehnend gegenüberstehen, begegnet man einem seltsamen demokratiepraktischen Problem. Eigentlich, so ihre Überzeugung, müssten sie der Kanzlerin die Gefolgschaft verweigern, und mindestens dem dauerhaften Rettungsmechanismus ihre Zustimmung versagen. Doch das Ergebnis einer fehlenden Kanzlermehrheit im Bundestag wären wahrscheinlich Neuwahlen, die für die FDP desaströs und für die Union zumindest unberechenbar ausgehen würden. Die Alternative wäre wahrscheinlich Rot-Grün, möglicherweise auch Schwarz- Rot, und damit in jedem Falle eine Konstellation, die noch unbedingter dem Atom abschwören und Griechenland retten würde.

Nun hat die Energiewende – jedenfalls bis jetzt und solange noch niemand dafür bezahlen muss – bestimmt eine gesellschaftliche Mehrheit für sich, das Jonglieren mit Euro-Milliarden aber ebenso sicher nicht. Diese seltsame parlamentarische Konstellation führt dazu, dass es um die Kernfragen deutscher Staatlichkeit und Politik keinen parlamentarisch-demokratischen Wettbewerb mehr gibt, dass Merkels Politik tatsächlich alternativlos im wörtlichen Sinne ist und Rot- Grün nur noch mehr davon verspricht.

In der Auseinandersetzung um Euro und Griechenlandhilfen stehen nicht politische Lager gegeneinander und im Wettbewerb, sondern die politischen Eliten geschlossen gegen die diffusen Ängste großer Teile der Bevölkerung, die sich allerdings nicht – noch nicht – artikulieren können. Gehindert werden sie von einer vagen Europa-Rhetorik dieser Eliten, die beispielhaft Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble vorführt. Seine Beschwörungsformeln klingen häufig so, als ob das Ausscheiden Griechenlands aus dem Euro den Frieden, mindestens aber die Exporterfolge der deutschen Wirtschaft zerstören könnte. Zwar regt sich überall Widerstand gegen diesen Versuch einer politischen Hypnose, aber eben noch nicht genug.

Schließlich lauern im Hintergrund immer auch noch Hinweise auf Deutschlands Rolle in der NS-Zeit. Doch diese Art von Schlangenbeschwörung mag in Deutschland noch eine Zeit lang funktionieren, in Frankreich, Holland, Österreich oder Finnland werden sich die Menschen auf Dauer keine Bankenrettung durch die Hintertür gefallen lassen. Dass die deutschen bürgerlichen Parteien in der Wählergunst so schlecht dastehen, hat auch mit ihrer Missachtung bürgerlicher Werte wie unternehmerischer Verantwortung, Einhaltung von Regeln, Verträgen und Versprechungen in der Griechenland-Krise zu tun.

Fatal nur, dass bis jetzt niemand der Alternative ein politisches Gesicht gibt und an die Stelle des politischen Wettbewerbs juristische Auseinandersetzungen getreten sind. Für die Möchtegernrebellen in CDU und FDP bleibt da nur die Hoffnung auf des weiland Franz Josef Strauß’ Sonthofen-Strategie: Es muss noch viel schlimmer werden, ehe sich etwas ändert. Parteipolitisch könnte das aufgehen – dem Land darf man es nicht wünschen.

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