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MEIN Blick: Europa – ein Elitenprojekt

Mit dem Kontinent ist so kein Staat zu machen. Es ist das Problem Europas, dass es keine gemeinsame Sprache, keine gemeinsame öffentliche Debatte und somit auch keine öffentliche Meinung kennt.

Einfacher sollte alles werden, übersichtlicher, demokratischer und durchschaubarer. Was ist uns und vor allem den heftig umworbenen Iren nicht alles versprochen worden, damit sie – wenigstens beim zweiten Mal – Ja zum Lissaboner Vertrag sagten? Und nun: Der neue demokratische Anfang, das Finden der Telefonnummer, die Henry Kissinger einst von den Europäern gefordert hatte, damit man sie ernst nehmen könne als Ansprechpartner und Akteur der Weltpolitik, war das alte unwürdige Gekungel – haust du meinen Kandidaten, schlage ich dir deinen in Stücke.

Nur, anders als bei Guttenberg, Jung und von der Leyen interessierte sich für das Personalkarussel in Brüssel niemand, blieb die neue Außenkommissarin so blass wie das bulgarische Kommissionsmitglied mit seinen Problemen uninteressant. Das beginnt schon mit der Konstruktion. Da haben wir also jetzt einen ständigen Ratspräsidenten und einen ständigen Außenminister. Doch falls der amerikanische Präsident Barack Obama wirklich zum Telefonhörer greifen sollte, welche Nummer ist es denn nun, die er wählen müsste – die des neuen ständigen Ratspräsidenten Herman Van Rompuy oder die des Regierungschefs des Landes, das turnusmäßig halbjährlich den Vorsitz gerade innehat? Und was tut in dieser Gemengelage die neue Außenkommissarin Catherine Ashton?

Man ist kritisch mit ihr ins Gericht gegangen, hat sie der Farblosigkeit, ja der Uninformiertheit geziehen, doch man nenne mir eine Persönlichkeit, die eine gemeinsame Außenpolitik von Frankreich, Polen, Spanien, Slowenien und Dänemark nicht nur farbenprächtig zu formulieren, sondern – wichtiger noch – auch realistisch ins Werk zu setzen vermöchte. Das Erste würde man Tony Blair ja noch zutrauen, das Zweite würde an 27 Einzelinteressen und ebenso vielen Eitelkeiten scheitern. Wie im Rat, so in der Kommission.

Noch immer neigen die Mitgliedstaaten dazu, Politiker, die sie national entsorgen möchten, nach Europa abzuschieben. Günther Oettinger ist da keine Ausnahme, mag er sich auch bei der Vorstellung als künftiger Energiekommissar wacker geschlagen haben. Dass Bulgarien Frau Schelewa, nachdem sie wegen einer miserablen Vorstellung, Vorwürfen wegen illegaler Nebentätigkeiten und möglicher Mafiakontakte selbst in Brüssel nicht durchzusetzen war, am Ende auch vom heimischen Herd verbannte, bestätigt nur diese Praxis: Erst jetzt ist sie auch als Außenministerin ihres Landes nicht mehr tragbar.

Ein Neuanfang sieht anders aus. Es ist das Problem Europas, dass es keine gemeinsame Sprache, keine gemeinsame öffentliche Debatte und somit auch keine öffentliche Meinung kennt. Was in Brüssel geschieht, findet trotz Lissaboner Demokratisierungen vor leeren Rängen statt – ein Elitenprojekt ohne jede Verankerung im Volk.

Der jüngste personalpolitische Kuhhandel ist der passende Kommentar zu den Einwendungen des Bundesverfassungsgerichtes. Nur ein demokratisches Votum der Staatsvölker könnte aus der Europäischen Union einen europäischen Staat formen – doch die Brüsseler Praxis ist davon noch Lichtjahre entfernt.

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