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Meinung: Meinung kaufen?

Warum der WAZ-Konzern nicht bei Springer einsteigen wird

Von Henrik Mortsiefer

In der deutschen Medienwirtschaft scheint inzwischen alles möglich: Die Konjunkturflaute und die Krise im Anzeigengeschäft haben einigen Verlagshäusern so zugesetzt, dass ungeahnte Koalitionen und Eigentümerwechsel denkbar sind.

So kommt es, dass plötzlich viele davon reden, der Axel Springer Verlag werde in Kürze vom Essener WAZ-Konzern gekauft. Erstmals hat die WAZ öffentlich erklärt, sie sei an den Springer-Aktien, die der Medienpleitier Leo Kirch bis zum 10. September verkaufen muss, interessiert. Das Geld für 40 Prozent an Springer hätte die WAZ. Das Zeitungshaus aus dem Ruhrgebiet zählt mit einem Umsatz von 1,9 Milliarden Euro und 28 Tageszeitungen zu den profitabelsten deutschen Verlagen. An Rhein und Ruhr hat der Konzern ein publizistisches Monopol, das er bisher nicht zum Schaden der SPD-geführten Landesregierung ausgenutzt hat. Nach außen gibt sich der Medienriese meist grau und undurchsichtig. Im Kern, so sagen viele, ist die WAZ aber ein roter Riese. Mit einem sozialdemokratischen Ex-Kanzleramtsminister Bodo Hombach als Geschäftsführer.

Ihm soll Leo Kirch nun das Einfallstor zum Springer-Hochhaus öffnen, in dem jeden Tag die größte konservative Meinungsmaschine Deutschlands Schlagzeilen produziert – die „Bild“-Zeitung. Was für ein Coup: Die „Bild“, die dem Kanzler das Leben schwer macht im Wahlkampf, würde in die Hände der SPD fallen. Es wäre die späte Rache Kirchs an Friede Springer und Verlags-Chef Mathias Döpfner, die Ende 2001 die Kirch-Gruppe mit einer Zahlungsaufforderung von 767 Millionen Euro ins Wanken gebracht haben.

Wenn alles so schön einfach wäre. Die Medienlandschaft würde umgepflügt, und das alte Rechts-Links der öffentlichen Meinung wäre zumindest in Unordnung gebracht. Doch dazu wird es so schnell nicht kommen.

Denn Friede Springer will die WAZ nicht. Und Friede Springer hat das Sagen im „Bild“-Verlag. Sie hat klar gemacht: Die WAZ passt nicht zu Springer, einen strategischen Investor duldet der Verlag nicht, die Kirch-Aktien sollen an die Börse, rund fünf Prozent will sie selbst übernehmen. Punkt. Untermauert wird ihre Ablehnung mit dem Recht der Verlegerin, dem Verkauf der Kirch-Anteile an neue Eigentümer zuzustimmen – oder sie abzulehnen, wie jetzt im Falle der WAZ. Jeder Versuch, diese Konstruktion zu umgehen, wird Springer mit allen juristischen Mitteln zu verhindern suchen. Auch das hat die Verlegerin unmissverständlich klar gemacht. Kirch dürfte es also wenig helfen, wenn er seine Aktien nicht direkt, sondern gleich die ganze Print-Beteiligungs-GmbH verkauft, in der seine Springer-Anteile liegen. Eine juristische Schlammschlacht über Jahre wäre in jedem Fall die Folge. Das weiß auch die WAZ. Lohnt sich also für sie der Aufwand, gegen Friede Springers Willen einzusteigen und darauf zu hoffen, dass am Ende eine Minderheitsbeteiligung von 40 Prozent dabei herausspränge, die der WAZ weder publizistischen noch wirtschaftlichen Einfluss bei Springer garantieren würde? Zahlt sich der Marathon vor Gericht aus, wenn Springer weiter rote Zahlen schreibt, die der ungebetene Gesellschafter WAZ mittragen müsste? Wohl kaum. Es ist deshalb fraglich, ob hinter dem bekundeten Interesse an Springer mehr steht als der Versuch, im Poker um den Kirch-Nachlass nicht in Vergessenheit zu geraten.

Warum also die ganze Aufregung? Weil „Bild“ und „Welt“ sowie die auflagenstarken Sonntagszeitungen und zahlreichen Beteiligungen Springers zusammen eine Medienmacht ergeben, die keinen Wettbewerber kalt lassen. Und sei es nur bei einem Gedankenspiel. Der naheliegendere Grund für das inszenierte WAZ-Springer-Duell mit freundlicher Unterstützung von Leo Kirch ist aber die politische Medienshow: Der Kanzler-Freund Bodo Hombach greift zur Wahlkampf-Prime-Time nach der „Bild“-Zeitung. Diesen Aufreger hätten sich viele zur Belebung des eher müden Wahlkampfs gewünscht. Nur: Hombach vollstreckt heute so wenig den Willen der Regierung wie Springer morgen zum linksradikalen Verlag wird.

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