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Die Reformen haben gewirkt und Geld in die Kassen gespült. Jetzt wird gestritten, was mit dem Überschuss passieren soll.

© dpa

Milliardenplus bei Krankenkassen: Haltet die Diebe!

Bei den Krankenkassen hat sich ein Plus von 19,5 Milliarden Euro angehäuft. Das Geld, man muss es einmal sagen, gehört den Beitragszahlern. Es gehört nicht dem Gesundheitsminister und schon gar nicht dem Finanzminister.

Von Lutz Haverkamp

Die Politik hat in den vergangenen Jahren viel unternommen, um mehr Geld in das Gesundheitssystem zu pumpen. In der Regel hießen diese Maßnahmen „Reform“ und kamen beim Patienten als Praxisgebühr, Zusatzbeitrag, erhöhte Zuzahlung oder schlicht als Beitragserhöhung an. Weil die Konjunktur brummt, die Arbeitslosigkeit sinkt und mehr Menschen einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgehen, fließt noch mehr Geld in Richtung Krankenkassen. All das hat sich nun zu einem Plus von 19,5 Milliarden Euro angehäuft, das zahlreiche Begehrlichkeiten weckt.

Das Geld, man muss es einmal sagen, gehört den Beitragszahlern. Es gehört nicht dem Gesundheitsminister und schon gar nicht dem Finanzminister. Die Überschüsse liegen zum Teil bei den Krankenkassen, aber auch denen sollte der Zugriff auf das Eigentum anderer verwehrt werden. Das Geschachere zwischen den Ministern Bahr (Gesundheit) und Schäuble (Finanzen) ist schon in vollem Gang. Es geht um Steuerzuschüsse, versicherungsfremde Leistungen, weitere Reformen – auch in der Pflege.

Die Kassen selbst wollen mit dem Hinweis auf die sich eintrübende Wirtschaftslage nichts abgeben und für schlechtere Zeiten vorsorgen. Ein gut gemeinter Plan, aber dafür ist das umlagefinanzierte Gesundheitssystem nicht konstruiert worden. Es ist keine Sparkasse. Ehrlicher wäre es auch, zu sagen, dass die Kassen das Geld behalten wollen, um die ungeliebten Zusatzbeiträge vermeiden zu können. Die kosten Image, Versicherte und damit vor allem Geld. Einigen Kassen hat das bereits die Pleite eingebracht.

Die Deutschen können sich freuen. Grundsätzlich, weil sie wegen aller guter – und trotz vermurkster – Reformen eine Medizin auf höchstem Niveau genießen. Aktuell, weil auch die gute Finanzlage der Kassen zur Stabilität und Qualität der Versorgung in der Zukunft beiträgt. Das ist aber noch lange kein Grund, sich freiwillig bestehlen zu lassen.

Das Geld gehört den Versicherten. Das muss nicht mal heißen, es ihnen über Rückerstattungen auszuzahlen. Andere Wege sind möglich. Die Politik, die den Einheitsbeitrag erfunden hat und dessen Höhe bestimmt, könnte die Beiträge senken. Das würde die Arbeit billiger machen und im Idealfall neue Jobs und neue Beitragszahler generieren. Die Praxisgebühr, die offensichtlich ihre Steuerungswirkung verfehlt und allzu oft Kranke davon abhält, zum Arzt zu gehen, könnte abgeschafft werden. Die Milliarden könnten auch genutzt werden, um endlich weitere überfällige Reformen im System anzugehen, ohne schon wieder die Versicherten zur Kasse zu bitten. Keinesfalls dürfen die Überschüsse und Reserven vom Finanzminister, auch nicht über Umwege, vereinnahmt werden, um die Staatsverschuldung zu senken. Und dass die Kassen von ihrem Konsolidierungskurs abweichen, ihre Vorstände besser bezahlen oder andere kostspielige Ideen haben, sollte tunlichst vermieden werden.

Hätte, könnte, sollte. Vermutlich wird gar nicht viel passieren. Wie in der Vergangenheit auch. Hier ein Reförmchen, da ein Sparpaket. Von den beiden großen, konkurrierenden Ideen – Bürgerversicherung contra Kopfprämie – ist eh nicht mehr viel zu hören. Vielleicht ist das gar nicht schlecht. Denn das umlagefinanzierte, in weiten Teilen immer noch solidarisch finanzierte Gesundheitssystem scheint so schlecht nicht zu funktionieren. Das sollten sich die Versicherten nicht nehmen lassen. Ihr Geld auch nicht.

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