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Mon Berlin: Von der Stewardess zur Flugbegleiterin

Es war einmal eine Zeit, als die Göttinnen in Menschengestalt zu uns auf die Erde hinabstiegen. In ihrem Olymp gab es eine privilegierte Kaste, das waren die Stewardessen. Heute bringen sie niemanden mehr zum Träumen.

Die Stewardess: Wie hübsch sie aussah in ihrem marineblauen Kostüm, das sich an ihre spitzen Brüste schmiegte, dazu der rot gestreifte Foulard um den Hals und das keck auf dem straffen Haarknoten thronende Hütchen. Sie roch gut, die Stewardess.

Mit ihrer Honigstimme schien sie ganz allein Sie anzusprechen, wenn sie zum 150. Mal „Willkommen an Bord!“ sagte. Wie unwiderstehlich konnte sie die Schwimmweste überziehen und so tun, als wolle sie in das Ventil pusten, das an einer Schnur baumelte. Sie hatte lange Gazellenbeine in Nylonstrümpfen und mandelförmige klatschmohnrote Fingernägel. Sie und ihre Kollegen: eine Formation, die sich in Schale geworfen hatte. Das Tock-tock ihrer hohen Absätze trommelte auf den Marmorboden der Flughafenhallen, wenn sie geschmeidigen Schrittes dem Flugkapitän und seinen Kopiloten folgte.

Sie war frei wie die Luft, durch die sie den ganzen Tag dahinflog. Ohne Ehemann, ohne Heimathafen, so federte sie von einem Winkel des Planeten in den anderen, an einem Tag landete sie in Tahiti, am nächsten in New York, Zeitverschiebung, Turbulenzen und Luftlöcher konnten ihr nichts anhaben. Sie war höflich, polyglott, mütterlich zu den unbegleiteten Kindern, aufmerksam gegenüber den gestressten Geschäftsleuten.

Wie viele zarte Bande wurden wohl hoch oben über den Wolken geknüpft, zwischen diesen Pin-ups der Lüfte und den ihrem Charme verfallenen Passagieren? Es war doch viel schicker, sich in eine Stewardess zu vergucken als in eine simple Sekretärin. Denn die erotische Ausstrahlung der Tochter des Himmels war einer Brigitte Bardot plus Raquel Welch durchaus würdig.

Stewardessen, Krankenschwestern, Nonnen: klassische männliche Fantasiegestalten. Sicherlich wegen der Steifheit ihrer Uniform, unter der, so das Unbewusste jener Herren, das Feuer lodert. Aber ach, diese Epoche des Glamours ist untergegangen. Kein kleines Mädchen träumt heute noch davon, Flugbegleiterin zu werden. Man muss nur mal bei Ferienbeginn in einen der zahlreichen Billigflieger steigen, und schon verwandelt sich das Traumwesen wie Aschenputtel um Mitternacht. Plopp!

Keine glitzernde Boeing, keine Uniform in vollendeter Eleganz, kein engelsgleiches Lächeln. Ja, wir müssen uns der traurigen Realität stellen: Die Stewardess ist ein entschwundener Mythos.

Denken Sie nur an Easyjet oder Ryanair. Im Übrigen handelt es sich meist um Flugbegleiterinnen mit strohblond gefärbten Haaren, einem falschen Diamanten im Ohr und Schweißringen unter den Achseln. Zeitweise trägt die Flugbegleiterin sogar eine Schürze. Eine Schürze! In den 60er und 70er Jahren wurden ihre Uniformen in Frankreich von den großen Couturiers des Landes entworfen. Christian Lacroix, Christian Dior, Nina Ricci. Und heute also eine Schürze wie bei einer gewöhnlichen Bedienung in der Bahnhofskneipe.

Die Stewardess erledigt ihre Arbeit, aber das Herz ist nicht mehr dabei. Sie stellt Ihnen ein vakuumverpacktes Essen auf das Tischchen, ein Sandwich, so elastisch wie eine Gummisohle. Vorbei ist es mit den warmen Mahlzeiten, der kleinen Flasche Burgunder, den Zeitungen, den nach Lavendel duftenden heißen Handtüchern, mit denen man sich die Stirn abwischte, den Pfefferminzbonbons gegen den Druck beim Abheben, dem weichen Nackenkissen, den Spielsachen für die Kinder. Vorbei mit all den Umständen und kleinen Annehmlichkeiten.

Kurz vor der Landung rennt die Flugbegleiterin mit einem nach Teer riechenden großen schwarzen Plastiksack durch den Gang. Sie fordert Sie auf, Ihre Zeitschriften, Ihre leeren Plastikbecher und Ihre Orangenschalen hineinzuwerfen. Sie versucht, Ihnen steuerfrei alberne Stoffbären und Parfüms mit einem Duft zu verkaufen, der jede Fliege tot umfallen lässt. Beides ist ganz sicher nichts, was Sie in erotische Raserei versetzen könnte.

Heute übt die Stewardess einen ganz alltäglichen, beinahe banalen Beruf aus. Sie bringt niemanden mehr zum Träumen. Und das ist wirklich schade.

Die Autorin schreibt für das französische Magazin „Le Point“. Aus dem Französischen übersetzt von Elisabeth Thielicke. Eine Sammlung der „Mon Berlin“-Kolumnen ist unter dem Titel „In den Vorgärten blüht Voltaire“ beim Rowohlt-Verlag erschienen.

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