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Meinung: Moral gehört dazu

Von Stephan-Andreas Casdorff

Zunächst zum Positiven. Der Versuch der deutschen Innenminister, die Zuwanderung von Juden aus Russland und anderen Staaten der GUS mit hohen Hürden so zu erschweren, dass wohl am besten keiner mehr käme, ist Vergangenheit. Das Gelingen der Integration ist nicht in jedem Fall eine Frage von Jugendlichkeit oder der sofortigen Verwendbarkeit auf dem Arbeitsmarkt; aber es ist ja jetzt eine Lösung gefunden, und darin finden sich solche Ideen wie eine Sozialprognose oder ein Höchstalter nicht mehr. Jahwe sei Dank.

Es geht um ungefähr 50000 Juden, die jetzt überhaupt noch einwandern wollen. Eine große Zahl? Eine zu große Zahl für Deutschland, das doch im „Bewusstsein der historischen Verantwortung“ Regeln aufstellen wollte? Bei genauem Hinsehen wird hier in bekannter deutscher Präzision ein „Problem“ abgearbeitet. 200000 Juden sind seit 1991 gekommen. Eine große Zahl? Der Staat will noch einwandern lassen, wer ein jüdisches Elternteil hatte; die jüdischen Gemeinden wollen der Religion folgend nur aufnehmen, wer eine jüdische Mutter hatte. Ein schwieriger Widerspruch, zumal in der UdSSR „jüdischer Nationalität“ nur sein konnte, dessen Vater Jude war.Und ein Grundwiderspruch, weil das nicht die Form sein sollte, wie in diesem Land die Aufnahme von Juden gehandhabt wird.

Großherzigkeit ist stattdessen das richtige Leitwort. Schon gar erst 60 Jahre danach. Sage einer, das Geld ist knapp und deshalb können die Gemeinden die Aufnahme nicht schaffen – da sei dann der Staat vor und biete Hilfe an. Und sagen jüdische Gemeinden, sie könnten die Aufnahme nicht gutheißen – da sei dann doch wenigstens ein Mitglied des Zentralrats vor, das an die Geschichte der jüdischen Gemeinden in Deutschland, an die Zuwanderung aus Osteuropa erinnert. So wie die Zuwanderung jetzt begrenzt werden soll, zeigt sich: Die Verantwortlichen handeln unhistorisch. Und bedrückend national.

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