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Meinung: Motorbremse

FRANKREICH UND DEUTSCHLAND

Die deutschfranzösische Partnerschaft wird gerne als Motor der EU bezeichnet, doch andere Mitgliedstaaten sehen darin eine nur mühsam kaschierte deutsch-französische Hegemonie. Nach Paris wird nun auch Berlin wegen der fortgesetzten Verletzung des Stabilitätspaktes von der EU-Kommission zur Verantwortung gezogen. Finanzminister Eichel reagiert darauf ähnlich uneinsichtig wie sein französischer Amtskollege. Berlin wie Paris erheben offenkundig den Anspruch, die geltenden Regeln nach eigenem Gutdünken festzulegen. Auch in der Auseinandersetzung um die EU-Verfassung erwecken Deutschland und Paris den Eindruck, als wollten sie ihre Vorstellungen gegen den Widerstand der kleineren Staaten und der Beitrittsländer durchsetzen. Kanzler Schröder drohte den unbotmäßigen Partnern bereits mit der Kürzung deutscher Nettozahlungen. Die Irritationen richten sich hauptsächlich gegen die Bundesrepublik, die ihre nationalen Belange früher mit Zurückhaltung durchsetzte und dabei ein offenes Ohr für die neuerdings als "Zwerge" verspotteten kleineren Partner hatte. Seit Präsident Chirac Schröders Festlegungen in der Irakpolitik unterstützte, praktizieren Berlin und Paris eine demonstrative Geschlossenheit. Von außen betrachtet, wirkt die neue Eintracht jedoch eher als Rollenverteilung mit französischem Koch und deutschem Kellner. Früher hielt Deutschland Distanz zu den oft als brachial empfunden Methoden französischer Interessenwahrnehmung und verhinderte so, dass die deutsch-französische Vorreiterrolle als Bevormundung erschien und Widerstände hervorrief. Ändert sich dies dauerhaft, wird der Motor schnell zur Bremse. Eric Gujer

Unser Autor ist Korrespondent der „Neuen Zürcher Zeitung“ und lebt in Berlin.

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