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My BERLIN: Fliegen wie zu Bogarts Zeiten

Scheich Ahmed bin Saeed Al Maktoum, der Chef der Fluggesellschaft Emirates, war gerade in Hamburg, um sein neuestes Spielzeug abzuholen, den A 380, das weltweit größte Passagierflugzeug. Es gefiel ihm so gut, dass er ankündigte, 60 weitere davon kaufen zu wollen.

Scheich Ahmed bin Saeed Al Maktoum, der Chef der Fluggesellschaft Emirates, war gerade in Hamburg, um sein neuestes Spielzeug abzuholen, den A 380, das weltweit größte Passagierflugzeug. Es gefiel ihm so gut, dass er ankündigte, 60 weitere davon kaufen zu wollen.

Sein Plan ist raffiniert: Er macht Fliegen zur Luxusbeschäftigung. Mir persönlich wäre es zwar lieber, er würde den Ölpreis ein wenig drücken, aber, wie man in England sagt, ein Bettler kann nicht wählerisch sein. Offenbar vollzieht sich gerade das Folgende: Ölproduzierende Länder in der arabischen Welt, Russland und Kasachstan benutzen ihr Geld, um Firmen im Westen, die auf Öl angewiesen sind, zu kaufen und umzuformen. Sie wollen mehr als nur Lieferanten sein; sie wollen die Nachfrage beeinflussen. Und so versucht Alexander Lebedew (ein gerissener Geschäftsmann, den unser Geheimdienst als ehemaligen KGB-Mann in London kennt), Öger-Tours zu kaufen. Ursprünglich flogen die deutschen Türken in ihre anatolische Heimat, das war eine gute wirtschaftliche Grundlage für die Fluggesellschaft. Dann begann Öger, die Türken der zweiten Generation und auch andere in weiter entfernt liegende Orte zu transportieren. Auch gut. Aber Flugzeuge saufen jetzt so gierig Kerosin wie Helmut Kohl einst Nougatschokolade verschlang. Inzwischen sind die Russen und nicht mehr die Deutschen Europas fleißigste Touristen; die Engländer müssen sich nun mit Sergej und Sascha, nicht mehr mit Hajo und Karl-Heinz um die Liegen kloppen. Die Kombination von treuen deutschen und russischen Urlaubern ist eine gute Geschäftsgrundlage für den Ex-Genossen Lebedew. Verständlicherweise interessieren sich die Russen für die Tui, und sollte die Bahn privatisiert werden, stünden sie auch bereit.

Die nahöstlichen Öl-Potentaten gaben früher ihr Geld für Luxuswaren aus. Ihre Strategie ist inzwischen geschickter. Das teure Kerosin und der politische Druck, Emissionen zu reduzieren, bedeuten das Ende des Billigfliegens – oder wenigstens die Notwendigkeit, deren Geschäftsmodell zu überdenken.

Scheich Ahmed bin Saeed Al Maktoum wird Fliegen zu dem machen, was es in den 50ern war: eine Sache für Reiche. Jahr für Jahr werden unter diesem neuen Konzept die Ärmeren aus dem Flugzeug verdrängt. (Auch wenn ich nicht sonderlich beeindruckt bin von den Vergünstigungen für die Reichen im A 380: Angeblich gibt es in der 1. Klasse Duschen – doch die Duschzeit ist begrenzt auf fünf Minuten. Fünf Duschminuten sind vielleicht viel in der Wüste, mir scheint das ein wenig knauserig.)

Dennoch, das neue Prinzip lautet: Luftfahrt ist Luxus. Ich kann mich kaum noch an die Zeiten erinnern, als Fliegen ein Vergnügen war. Als Kind war mir fast immer kotzübel. Meistens konnte ich es zurückhalten, aber sobald ich roch, dass sich jemand anderes übergeben musste, gab es kein Halten mehr. Ab einem bestimmten Punkt in den sechziger Jahren wurde Fliegen jedoch erträglich. Das Essen wurde mit elegantem Besteck serviert, sogar in der Holzklasse. Die Passagiere zogen sich feine Sachen an, nicht jene angeblich komfortablen Klamotten, in denen Ryanair-Kunden nicht selten aussehen, als hätte man sie gerade nach einem Schiffbruch aufgegabelt. Und die Stewardessen: In jenen Tagen mussten sie auch flirten, statt nur mit spitzeckigen Karren den Gang runterzudonnern.

Dann kam der Billigflug, die Proletarisierung des Himmels. Die Stewardessen wurden schlecht gelaunte Verkäuferinnen und als Reisender wurde man behandelt wie ein Stück tiefgefrorenes Fleisch. Auf den Abflug zu warten war in den Sechzigern und Siebzigern eine Freude, man las, träumte vor sich hin. Heute wird einem am Gate alles Flüssige entrissen, jeder Körper ist verdächtig und alle starren gebannt auf die Abflugtafeln, weil man nur 15 Minuten hat, in denen man zum Gate kommen muss. (Tegel ist Gott sei Dank eine Ausnahme. In Tegel rennt niemand.) Alte, lahme und kurzsichtige Menschen haben an Flughäfen heute nichts mehr verloren.

Natürlich kann der Scheich mein Benzingeld dafür verwenden, Fliegen gemütlicher zu machen. Wie das Ende von „Casablanca“ zeigt: Damals waren sogar Abschiede auf der Rollbahn romantisch. Alles, wird der Scheich sagen, wird teurer. Die Nachfrage nach Öl treibt den Preis hoch. Trotzdem könnten wir ein bisschen dieses Geldes dazu benutzen, um das Fliegen wieder menschlicher zu machen.

Ich kann es kaum erwarten. Flugzeuge sind zu fliegenden Slums verkommen, in denen man auf Betrunkene, Unhöflichkeit und Körpergeruch trifft. Wenn ich das will, gehe ich nach Neukölln – und bleibe emissionsfrei.

Aus dem Englischen übersetzt von Moritz Schuller.

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