zum Hauptinhalt

My BERLIN: Stauffenbergs universales Dilemma

Die Schlüsselfigur bei der umstrittenenen Stauffenberg-Verfilmung ist der Regisseur Bryan Singer. Wenn er aus der Tragödie ein intelligentes ethisches Rätsel destillieren kann, dann hätte sich dieser Hollywoodsommer in Berlin gelohnt.

Etwa einen Monat nachdem Benno Ohnesorg erschossen wurde, begannen meine Schulferien. Ich war fast 15 und nicht in der Lage, mich richtig zu entspannen, weil jeden Tag der Postbote mein Zeugnis vorbeibringen würde. Es war ein unstetes Jahr, aus den üblichen hormonellen Gründen. Und ich wusste, dass mein Vater nicht zufrieden sein würde. Dennoch: Die Schule war bis September vorbei, und ich hatte einen Sommer in Hannover vor mir, wo mein Vater mit dem britischen Militär zu tun hatte.

So schob ich meine Furcht vor dem Zeugnis beiseite und konzentrierte mich darauf, über Frauen zu fantasieren. Deutschland war damals ein weitaus erotischerer Ort als England. Sogar Hannover. Im Kino am Kröpke zeigten sie „Die Nacht der Generäle“, beworben durch ein Plakat, das eine halb angezogene Prostituierte zeigte: Alle Schauspieler waren Briten. Drei Wehrmachtgeneräle, 1942 in Warschau stationiert, wurden verdächtigt, eine polnische Prostituierte/Spionin getötet zu haben. Ein Abwehroffizier (Omar Sharif!) sollte das Verbrechen aufklären. Alles sehr unrealistisch. Ein General wird mit dem Widerstand gegen Hitler in Verbindung gebracht, einer ist ein ehrlicher Preuße und einer ein Psychopath. Omar Sharif und die Generäle finden sich dann 1944 in Paris wieder, und eine weitere Prostituierte wird getötet. Dann: ein Zeitensprung in die 60er, eine dritte Hure wird mit derselben brutalen Methode ermordet. Omar Sharif fängt seinen Mann am Ende.

Keiner erinnert sich mehr an diesen Film. Aber mir blieb er in Erinnerung als ein subtiles Porträt der Zweifel unter Generälen, die Essenz des militärischen Widerstands. Und er war sicher nicht schlechter als Guido Knopps Quotenknüller oder die unrealistische Liebesgeschichte in Nico Hofmanns Blockbuster „Dresden“ oder der historisch verzerrte „Untergang“ oder das geschmacklose sexuelle Opfer in „Rosenstraße“. „Die Nacht der Generäle“ war, in meiner Erinnerung zumindest, ziemlich kompetent gemacht.

Es war auch das erste Mal, dass ich Stauffenberg auf der Leinwand sah. Er wurde von Gerald Buhr gespielt, der ein seltsam ausgebeultes Gewand trug, weil er seinen gesunden Arm verbergen musste. Kein wirklich brillanter Auftritt, aber einem jungen, pickligen Jungen brachte es etwas über den militärischen Widerstand bei. Die Wolfsschanze wurde in einen größeren Zusammenhang gebracht.

Vielleicht ist es nicht schlecht, dass Hollywood erneut einen Blick auf den deutschen Widerstand werfen wird. Man muss Tom Cruise oder den verrückten Scientology-Kult nicht mögen, um zu sehen, dass die deutsche Diskussion über die eigenen Kriegshelden ein wenig schal geworden ist – Stauffenberg ist mumifiziert worden. Natürlich, er wurde von Sebastian Koch intelligent gespielt, aber darum geht es nicht. Das Problem besteht in dem unermüdlichen historiografischen Versuch, Stauffenberg zu einem Sprecher aller Deutschen mit einem gewissen zu machen. Die Nachkriegsmythologisierung des 20. Juli hat Stauffenberg überfrachtet. Und sie nimmt etwas von dem interessanten Dilemma weg, wenn ein Offizier das Vertrauen in seinen Oberkommandierenden verliert, wenn ein Mann, der weiß, was da an der Front passiert, einem Führer gegenübersteht, der dieses Wissen von sich weist und entscheidet, Menschen in den Tod zu schicken.

Ist das nicht die wahre moralische Frage? Statt: Wie sollte ein guter Deutscher sich verhalten? Eher: Wie reagiert man auf Informationen, die den eigenen ethischen Code herausfordern; wie soll man sich zwischen konkurrierenden Loyalitäten entscheiden?

Das ist ein universales und tatsächlich ein amerikanisches Dilemma. Amerikaner, die versuchen, sich aus einem fehlgeschlagenen Krieg zurückzuziehen, sollten die Gelegenheit haben, diese Fragen im Kino anzugehen. Und wenn Stauffenberg das erzählerische Vehikel ist, dann ist es im deutschen Interesse, dass der Mann (und seine Zweifel) so authentisch wie möglich porträtiert wird. Wäre ich Verteidigungsminister (und der Tag könnte noch kommen), dann hätte ich Cruise erlaubt, im Bendlerblock zu filmen. Nichts ist so wichtig wie der Geist eines Ortes, um den richtigen Ton zu treffen. Wenn man will, dass Cruise einen deutschen Helden versteht, dann sollte man ihn dort stehen lassen, wo dieser starb. Wenn interessiert es, ob Cruise ein Überphaeton von Scientology ist? Die Frage, ob Scientology totalitär ist oder nicht, ist komplett irrelevant. Cruise ist ein Schauspieler. Rock Hudson war schwul, spielte aber große, romantische heterosexuelle Liebhaber; Superhelden werden von Feiglingen und Frauenschlägern gespielt. Die Schlüsselfigur ist der Regisseur Bryan Singer. Wenn er aus der Tragödie Stauffenbergs ein intelligentes ethisches Rätsel destillieren kann, dann hätte sich dieser Hollywoodsommer in Berlin gelohnt. Gebt ihnen wenigstens eine Chance.

Aus dem Englischen übersetzt von Clemens Wergin

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false