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Meinung: Nahost: Brot statt Bomben

Es herrscht Krieg im Nahen Osten. Zwar kein großer, umfassender - aber immerhin Krieg.

Es herrscht Krieg im Nahen Osten. Zwar kein großer, umfassender - aber immerhin Krieg. Es wird gekämpft und getötet, gestorben und gelitten.

Die Palästinenser haben ihre Taktik geändert: Statt Selbstmordattentate im Kernland Israel auszuüben, führen sie inzwischen einen Guerilla-Krieg gegen israelische Siedler und Soldaten in den besetzten Gebieten. Regierungschef Scharon bringt dies unter Zugzwang. Militärisch könnte er diesen Krieg beenden, aber, wenn Israels Armee die vollautonomen palästinensischen Gebiete zurückerobert, hätte Scharon nicht nur die gesamte Welt gegen sich, sondern mittlerweile auch die Mehrheit der eigenen Bevölkerung und seine Koaltionspartner. Vor allem aber würden die eigenen Militärs sauer. Immer lauter werden hier die Stimmen, die sagen, dass der Nahost-Konflikt nicht mit militärischen Mitteln zu lösen ist.

In der israelischen Öffentlichkeit melden sich nicht zufällig nach langer Abwesenheit die Friedensaktivisten wieder mit Demonstrationen und Anzeigen. Die Zahl derjenigen, welche nicht bereit sind, als Besatzungssoldaten Dienst zu leisten, wächst ständig. Jeder getötete Soldat vergrößert diese Zweifel und schlägt wie ein Pendel auf die Siedler zurück, die während langer Intifada-Monate sich der Sympathien breiter Massen erfreuten, denen nun aber plötzlich ein kalter Wind der zunehmend kriegsverdrossenen Bevölkerung im Kernland entgegen bläst. Dass für die Interessen der Siedler Soldaten sterben müssen, wollen viele Israelis nicht gutheißen.

Scharon nähert sich, offensichtlich planlos, seiner Stunde der Wahrheit. Er wird bald vor der Wahl stehen, entweder mit aller militärischer Macht zurückzuschlagen oder aber politisch nachzugeben, was aus seiner Sicht einer Kapitulation gleichkäme - obwohl es alles andere als dies wäre.

Konkret hieße letzteres: geografische Trennung der beiden Völker mittels Grenzzaun zwischen Israel und dem Westjordanland, so wie es ihn schon zwischen Israel und dem Gazastreifen gibt, und: Einverständnis zur schrittweisen Räumung der Siedlungen sowie offizielle Verhandlungen auch ohne Waffenruhe.

Für welche der beiden Alternativen Scharon sich entscheidet hängt wiederum weitgehend von Palästinenserpräsident Arafat ab. Es gibt eine allseits unbekannte "rote Linie", welche die Palästinenser mit ihren Anschlägen und Überfällen nicht überschreiten dürfen. Geschieht dies trotzdem, lässt also Arafat alle Zügel schleifen oder ermuntert er gar eine grenzenlose mörderische Eskalation, so wird - oder muss - Scharon mit aller militärischer Macht zurückschlagen.

Ob sich Arafat dessen bewusst ist, muss angezweifelt werden. Um ihn zu überzeugen braucht es aber auch Lockangebote, also nicht nur Druck, sondern auch konkrete Pläne, die Perspektiven aufzeigen und Hoffnung bei den Palästinensern aufkommen lassen. Mehr denn je zuvor hängt heute praktisch alles von den Amerikanern ab: Nur sie sind fähig, das Abgleiten in den großen Krieg zu verhindern und auch beiden Seiten ihren Willen und damit eine politische Lösung aufzuzwingen. Doch Bush hält sich aber immer noch zurück - vielleicht schon zu lange.

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