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Meinung: Nahost-Politik der USA: Gegen Saddam - smart und hart

Das ist das Schöne an Demokratien: der regelmäßige Machtwechsel. Eine neue Regierung darf ohne Gesichtsverlust den als falsch erkannten Kurs der Vorgänger korrigieren.

Das ist das Schöne an Demokratien: der regelmäßige Machtwechsel. Eine neue Regierung darf ohne Gesichtsverlust den als falsch erkannten Kurs der Vorgänger korrigieren. Und wann, wenn nicht jetzt, kann Amerika seine Irak-Politik überdenken? Bei seiner einwöchigen Reise durch den Nahen Osten muss Außenminister Colin Powell gespürt haben, wie wenig Verständnis die arabischen Verbündeten der Golfkrieg-Allianz für die Luftangriffe auf Irak aufbringen. Sein Versprechen, sich um smart sanctions, um "kluge Sanktionen" zu bemühen, enthält es nicht das Eingeständnis des Irrtums, auf das bald die Korrektur folgt?

In den zehn Jahren scharfer Irak-Sanktionen seit der Befreiung Kuwaits ist auch bei erbitterten Saddam-Gegnern das Unbehagen gewachsen. Das Embargo trifft nicht das Regime, sondern die Zivilbevölkerung, also die Falschen: Die Kindersterblichkeit steigt. Die Sanktionen sind fehlgeschlagen, wenn Saddam Hussein weiter an seinem Aufrüstungsprogramm basteln kann. Außerdem verweigert der Diktator seit einiger Zeit die UN-Kontrollen seiner Waffenfabriken. Deshalb nehmen die USA die Erfassung ihrer Überwachungsflugzeuge durch den irakischen Zielradar von Zeit zu Zeit zum Vorwand, um - zynisch formuliert - "warm abzurüsten": mit Bomben auf Produktionsstätten, Radaranlagen, Militärstützpunkte. Doch das alles zusammen hat Saddam nicht geschwächt, sondern seine Stellung gefestigt. Wo, bitte, ist die Perspektive dieser Strategie?

Darauf gibt es keine gefällige Antwort. Dies ist eine schreckliche, eine inhumane Politik. Nur: Was hilft besser gegen Leute vom Schlage Saddam Husseins? Auch Sanktionsgegner können nicht sagen, wie sie die Aufrüstung Iraks verhindern wollen. Eine Aufrüstung, die morgen Israel und übermorgen Europa bedroht. Und ganz erfolglos ist das Embargo nicht gewesen: In den zehn Jahren ist es Saddam Hussein nicht gelungen, sich Massenvernichtungswaffen und die Raketen zu ihrer Beförderung zu verschaffen. Zwar kommen auf verbotenen Wegen Einzelteile ins Land. Aber diese Prozedur ist zu zeitraubend und teuer für ein umfassendes Rüstungsprogramm.

Und: Würde die Aufhebung des Embargos wirklich der Bevölkerung zugute kommen? Schon heute dürfte Saddam Öl verkaufen, um Arzneien und Nahrungsmittel ins Land zu holen. Tut er aber nicht. Saddam nimmt sein Volk zur Geisel, nicht der Westen. Auch Serbiens Diktator Slobodan Milosevic hat sich durch die vorübergehende Lockerung der Sanktionen nicht davon abhalten lassen, nach Slowenien, Kroatien und Bosnien den nächsten Krieg im Kosovo anzuzetteln. Wie Milosevic braucht Saddam Konflikte fürs eigene Überleben.

Das Volk leidet - und der Westen macht sich immer weiter mitschuldig? Das ist das Dilemma: Zynischer Machtpolitik muss notfalls mit Gewalt begegnet werden. Doch so, wie sich die Lage entwickelt hat, wird den USA nichts anderes übrig bleiben, als ihre Politik zu modifizieren. Die politischen Kollateralschäden werden zu groß. Wie will Amerika den "ehrlichen Makler" zwischen Israel und den Palästinensern spielen, wenn die Stimmung in den arabischen Ländern immer feindlicher wird? Hinter geschlossenen Türen äußern die Regierungen in Ägypten, Jordanien und Saudi-Arabien schon noch Dankbarkeit, dass die USA ihnen Saddam vom Leibe halten - öffentlich geben sie dem Druck der Straße nach. Hinzu kommt: Das Embargo trifft nicht Irak allein. Auch die Volkswirtschaften der Nachbarn leiden darunter, dass der Handel mit einem der wichtigsten Staaten der Region seit zehn Jahren unterbunden wird. So kommt es, dass unter Missachtung der UN-Resolutionen ein Land nach dem anderen Freihandelsabkommen mit Bagdad schließt. Heute sind das nur Symbolhandlungen, aber es ist lediglich eine Frage der Zeit, dass das Embargo löchrig wird.

"Kluge Sanktionen": Noch hat Powell nicht gesagt, was er sich darunter vorstellt. Wie wäre es mit dieser Doppelstrategie: Iraks arabische Nachbarn dabei zu unterstützen, das Land in den regionalen Handel mit Alltagswaren einzubinden. Und gleichzeitig die Aufrüstung zu unterbinden, mit einer verschärften Kontrolle bei sensiblen Gütern und, wenn nötig, auch mit neuen Luftangriffen? Das wäre smart - und hart.

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