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Troll werden Online-Nutzer genannt, die versteckt hinter ihren Pseudonymen andere Leser bloß provozieren und Debatten zum Entgleisen bringen wollen.

© REUTERS

Neue Regeln für Online-Kommentare: Beleidigen lasse ich mich nicht

Der Presserat will Beiträge in Online-Foren wie Leserbriefe behandeln – reicht das aus? Eine Klarnamenpflicht ist wenig praktikabel, doch Missachtung kann eine Waffe sein: Wer jemand anderen beleidigen möchte, braucht dazu die Öffentlichkeit.

Im Internet geht alles. Auch das schnelle, heftige Beleidigen. Und wenn die Schmähung auch noch anonym passieren kann, dann kennt die Unterhemd-Fraktion kein Halten mehr. Beleidigen ist schön, niedermachen ist schöner.

Der Presserat fordert nun, dass Beiträge in Online-Foren wie Leserbriefe behandelt werden müssen. Beleidigungen und Schmähungen sollten vorab oder zumindest zeitnah nachträglich gelöscht werden.

Reicht ein Community-Management aus, um die Nutzer zu erziehen, die Meinungsfreudigen von den Schmählustigen zu trennen? Sicherlich sorgt ein solches Filterregime für eine gewisse Etikette, doch die Anonymität eines Beitrages wird damit nicht angegangen. Der Satz ist so selbstverständlich, dass er trotzdem aufgeschrieben werden muss: Das hohe Gut der Äußerungs- und Meinungsfreiheit kann in Deutschland nur demjenigen zustehen, der zu seiner Äußerung und Meinung steht. Alles andere ist feige und noch nicht mal der bessere Teil der Klugheit.

Die radikalste Lösung ist die Ansage, dass nur noch Beiträge veröffentlicht werden, wenn Klarnamen und Identität des Schreibers bekannt sind. Wie aber lässt sich das bewerkstelligen? Online-Kommentare haben eine ganz andere Geschwindigkeit, einen ganz anderen Impetus als Leserbriefe. Jetzt und hier und schnell und gleich, häufig wird ja auf die Einträge anderer reagiert, und in diesem Hin und Her der Meinungen will sich der Teilnehmer abgebildet sehen.

Keine Online-Redaktion dieser Welt kann bei der Unmenge der Kommentare jeden Schreiber bis hin zu seiner Identität prüfen. Das gäbe eine sagenhafte Verstopfung der Kommentarfunktion. Und ehrlich gesagt hat eine Überprüfung bis hin zur Identität etwas von einer unangenehmen Passkontrolle, einer Geschmacks- und Gesinnungspolizei im Netz. Und klar ist auch: je mehr Regelwerk, je mehr Prüfung, desto schmaler der Zulauf, desto kleiner die Debatte.

Wie wäre es mit einem Leser- Zertifikat, wie es die „New York Times“ für „verified commenters“ vergibt? Wer es verliehen bekommen hat, erhält einen kleinen, grünen Haken hinter den Namen und darf seine Beiträge ohne Kontrolle posten. Pseudonyme bleiben zulässig. Hier wird Niveau belohnt, auch jenes, das anonym erreicht wird.

Es wird nach einer Plattform Ausschau gehalten, die Öffentlichkeit garantiert

Zahlreiche Plattformen wie auch tagesspiegel.de gehen vergleichbare Wege. Aber in den unendlichen Weiten des Netzes bleibt die anonyme Beleidigung möglich. Kein Paragraf schafft Feigheit aus der Welt.

Resignieren muss keiner. Jeder, der jemand anderen beleidigen möchte, will auch Zustimmung, will Öffentlichkeit. Und weil Öffentlichkeit immer eine große Zahl verlangt, wird nach einer Plattform Ausschau gehalten, die Aufmerksamkeit garantiert. Die Erziehung des Schreihalses wird nur gelingen, wenn er nicht gleichzeitig die Lautstärke bestimmt. Das ist die Chance der Online-Foren. Regulieren, was nicht aus der Welt zu schaffen ist. Missachtung kann eine Waffe sein.

Ich sage es jetzt mal so: Wer mit diesem Beitrag nicht einverstanden ist, der darf gerne und anonym seine gegenteilige Meinung äußern. Aber beleidigen lasse ich mich nicht.

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