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Meinung: Neues PDS-Programm: Ein Godesberg im Osten

Parteien wollen Politik machen. Wozu brauchen sie Programme?

Parteien wollen Politik machen. Wozu brauchen sie Programme? Ein Programm ist wie eine Leiter: Man benötigt sie, um eine neue Plattform zu erreichen, von der aus man operieren kann. Hat man das geschafft, hat es denn auch zumeist seine Dienste getan. Der Entwurf eines neuen Programmes, den die PDS-Vorsitzende jetzt vorgelegt hat, zeigt die Partei kräftig beim Klettern. Aber wohin? Und wo ist sie angelangt? Das heimliche Signalwort für die Ortsangabe heißt "Godesberg". Aber der Begriff, der für die Wendung steht, mit der die SPD 1959 den Weg zur reformerischen Volkspartei einschlug, findet keineswegs ein einhelliges Echo. Von einem "zweiten Godesberg" sprechen denn auch nur innerparteiliche Kritiker des Programm-Entwurfs. Sie geben damit zu erkennen, was sie nicht wollen: die Sozialdemokratisierung der PDS. Was aber will die Parteiführung, wenn es das nicht ist?

Der Kurswechsel, den der Sprecher des Marxistischen Forums in ihr sieht, ist dieser Entwurf jedenfalls noch lange nicht. Er mutet den PDS-Genossen zwar etliches zu, etwa wenn er zum Schluss kommt, dass wirtschaftliches Gewinnstreben erlaubt sein könne, oder wenn er das Heil nicht mehr im Staatseigentum sieht. Aber solche Zugeständnisse, die doch nur längst verlorenes Terrain räumen, werden sogleich niedergeritten mit einer Attacke gegen den Bösewicht per se - den "neoliberalen Kapitalismus", der nichts Geringeres darstelle als eine Bedrohung der Menschheit. Wie die Entschuldigungs-Erklärung für die Zwangsvereinigung in der vergangenen Woche bleibt auch dieser Programm-Entwurf halbherzig: zu viel Theorie-Gelehrsamkeit, zu wenig unmissverständliche Eindeutigkeit.

Dennoch riechen die Kritiker den Braten zu recht. Die PDS-Führung will mit diesem Papier aus der Enge der Milieu-Partei heraus, die unter den flotten Sprüchen der Gysi und Co und der Caritas-Gesinnung der neuen Vorsitzenden fortdauert - fest in hergebrachter ideologischer Überzeugung und treu im Glauben an den allein selig machenden Sozialismus. Sie will es, um mitregieren zu können, natürlich mit der SPD. Umso wichtiger ist die Frage, was für eine Partei es sein soll, die da angestrebt wird. Die Antwort darauf verliert sich in den über 40 eng beschriebenen Seiten dieses Entwurfs, der eher ein Essay von Partei-Intellektuellen ist. Auch das unterscheidet ihn vom Godesberger Programm, das entschlossen eine neue Richtung einschlug.

Immerhin, die noch immer neue PDS-Führung widerlegt mit diesem Entwurf jene, die befürchtet hatten, sie würde - nach dem Abgang der Parteireformer Gysi und Bisky - einen Schritt zurück zu den Traditions-Kampfgruppen der Partei machen. Sie setzt, im Gegenteil, die Versuche der ideologischen Selbstentfesselung fort, die ihre Vorgänger begonnen - und an denen sie sich müde gearbeitet haben. Die Kritik, die dem Entwurf sogleich entgegengeschlagen ist, zeigt, wie schwer es sein wird, sich gegen die real-sozialistischen Kader in der PDS durchzusetzen. Denn dort ist die Stimmung eher selbstbewusster, sprich: selbstgerechter geworden. Das haben schon die Reaktionen belegt, die der PDS-Führung ihre doch windelweiche Zwangsvereinigungs-Entschuldigung in den eigenen Reihen eingetragen hat. Aber da kennt das gesunde Parteiempfinden der Genossen kein Pardon. Dankenswerterweise kann man das den Leserbriefspalten des "Neuen Deutschland" entnehmen. "Wollen die beiden PDS-Frauen lediglich Karriere machen?" donnert ihnen Leser Gerhard Jährig aus Zehdenick entgegen:"Da macht die Basis nicht mit!"

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