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Meinung: NPD-Verbot: Skins brauchen keine Partei

In den letzten Wochen hat sich die Debatte um den Rechtsextremismus von einer gesellschaftlichen zu einer juristischen verengt. Soll man den Verbotsantrag gegen die NPD stellen - oder nicht?

In den letzten Wochen hat sich die Debatte um den Rechtsextremismus von einer gesellschaftlichen zu einer juristischen verengt. Soll man den Verbotsantrag gegen die NPD stellen - oder nicht? Die Politik, vor allem die rot-grüne Spitze, hat diese Frage in den Fokus gerückt - und leider alle Zweifler, sogar die in den eigenen Reihen, unter den Verdacht gestellt, das Thema Rechtsextremismus nicht ernst zu nehmen. Rot-Grün hat den Verbotsantrag zum Bekenntnis, zu einer Frage der antifaschistischen Staatsraison stilisiert. Deshalb kann sich nun ausgerechnet der CDU-Rechtsaußen Roland Koch als vernünftige, verbotskritische, liberale Stimme in Szene setzen - ein famoser Erfolg rot-grüner Taktik.

Die Debatte ist mittlerweile zu einer Ersatzhandlung geworden, zu einer Art rationalisierten Abwehrzauber, der das rechtsextreme Gespenst bannen soll. Dahinter steckt eine banale Verwechselung: Parteipolitiker neigen wohl dazu, die Welt als Geflecht von Gremiensitzungen und Beschlussvorlagen - gewissermaßen institutionell - wahrzunehmen. Doch die rassistische Gewalt, die meist von aggressiven Jungmännern ausgeht, organisiert sich kaum in Institutionen. Sie entspringt, vor allem im Osten, einer militanten, jugendlichen Subkultur, die sich eher spontan zusammenfindet. In vielen (vor allem ostdeutschen) Städten beherrschen diese rassistischen Subkulturen das Straßenbild. Diese alltägliche Gewalt kann man nicht per politischem Beschluss verbieten. Sie wird nicht verschwinden, wenn die NPD verboten wird.

Über Sinn und Unsinn, Nutzen und Risiko eines Verbotsantrages gegen die NPD beim Bundesverfassungsgericht ist alles gesagt worden. Die Gefahren überwiegen - weil es an stichhaltigen, vollkommen einwandfreien Beweisen zu mangeln scheint, dass die NPD als Organisation in kriminelle, rassistische Gewalt der so genannten "Kameradschaften" verstrickt ist. Der Verbotsantrag scheint nun, nachdem die Innenminister der Länder fast geschlossen dafür votierten, kaum noch zu stoppen sein. Wenn das Bundesverfassungsgericht ihn ablehnen sollte, wäre das, so der linksliberale Jurist Erhard Denninger, "eine innen- und außenpolitische Katastrophe". Und der logische Endpunkt einer Diskussion, die immer falscher wurde. Denn die Verbotsdebatte ist - selbst wenn sie nicht in dieses Fiasko münden sollte - nicht mehr als ein mit viel rhetorischem Theaterdonner aufgeführtes Stück auf einer Nebenbühne.

Es bleiben zwei Fragen. Warum sind ehemalige undogmatische Linke wie Jürgen Trittin eigentlich derart auf ein NPD-Verbot fixiert? Offenbar lassen sich damit zwei Interessen in Deckung bringen. Den antiautoritären, antietatistischen Gestus von gestern hat man abgelegt wie einen alten Anzug - irgendwie repräsentiert man ja jetzt selbst den Staat. Ein NPD-Verbot bietet nun die geradezu verführerische Möglichkeit, den Antifaschismus von gestern mit entschlossenem staatlichen Handeln zu verbinden. So bezeugt man eine Art politisch-biografischer Kontinuität - kurzum: Sinn. Wir führen den gleichen Kampf wie früher - nur an anderer Stelle.

Offenbar macht dieser Zusammenhang blind für die zweite, viel wichtigere Frage: Wie funktioniert rechtsextreme Gewalt? Wie kann man sie im Alltag bekämpfen, zurückdrängen? Seit dem Sommer, seit Dessau und Düsseldorf, haben viele Politiker "Zeichen gesetzt", haben appelliert, gemahnt und gewarnt. Das war richtig und lange überfällig. Doch derzeit ist an "Zeichen" wirklich kein Mangel mehr. Sondern an Geld für zivilgesellschaftliche Projekte, die versuchen, den rechtsextremen, subkulturellen Block aufzuweichen. Zusammen mit den lokalen Eliten, den Schulen, der Polizei. Das ist schwieriger, als Zeichen zu setzen. Es dauert, es ist mühsam, manchmal vergeblich, es kann scheitern, wie die "akzeptierende Jugendarbeit" in den 90ern gezeigt hat. Aber es ist notwendig. Und viel wichtiger als die Frage, ob eine extremistische Splitterpartei hier zu Lande weiter Wahlen verlieren darf.

Stefan Reinecke

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