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Meinung: Nur fühlen reicht nicht

Von Claudia Keller

Sie sind Deutsche und sie sind Bischöfe. Zu Hause, in ihren Bistümern in Köln, Eichstätt oder Augsburg kommen sich diese beiden Seiten ihrer Identität nicht in die Quere. Bei ihrer Reise ins Heilige Land in den vergangenen Tagen war das aber der Fall. „Unsere uneingeschränkte Solidarität als Deutsche gilt Israel. Unsere Solidarität als Geistliche gilt den Schwachen, das sind im Heiligen Land die Palästinenser“, sagte ein Bischof. Durch den Anblick von Mauern, Grenzanlagen und Stacheldraht wurde die Solidarität einseitig. Heraus kamen schräge Vergleiche vom Warschauer Ghetto mit dem „Ghetto Ramallah“ und somit eine Parallelführung der systematischen Ausrottung der Juden durch die deutschen Nazis mit der Besatzungspolitik Israels gegenüber den Palästinensern. Sicher, die Mauern, mit denen Israel nicht nur die Palästinensergebiete abriegelt, sondern in ihnen auch einzelne Städte wie Bethlehem oder Ramallah, lassen den Bewohnern dort kaum eine Zukunftsperspektive. Sicher, die sprachlichen Entgleisungen einiger katholischer Oberhäupter lassen sich auch erklären: Die mehr oder weniger privaten Tage am See Genezareth hatten den Mixas, Lehmanns und Hankes die Amtslast von den Schultern genommen und die Gefühlsschleusen geöffnet.

Dennoch: Auch im Gefühlsüberschwang verbietet sich – nicht nur für Deutsche, aber für Deutsche besonders – ein Vergleich der Nazipolitik mit der des heutigen Israels, das Mitleid mit perspektivlosen Palästinensern sollte nicht das Sicherheitsbedürfnis der Israelis außer Acht lassen. Die Vergleiche sind unangemessen und ärgerlich, weil sie die berechtigte Kritik der Bischöfe an den unerträglichen Zuständen, die durch den Mauerbau geschaffen wurden, schmälern. Die Empathieoffensive der Bischöfe ist dann aussagekräftig, wenn sie sich auf das konkrete Leiden der Menschen konzentriert. Wenn sie den Blick auf Situationen lenkt, in denen die Freiheiten des Einzelnen eingeschränkt und Menschenrechte verletzt werden. Das ist in der Westbank der Fall. Das gilt aber auch für Israelis, die aus Angst vor Selbstmordattentätern Busse meiden oder sich nicht in Cafés mit großen Fenstern trauen. Die Bischöfe können etwas verändern, wenn sie beiden Seiten die Augen für das Leiden der jeweils anderen öffnen. Markige Sprüche helfen da nicht. Im Gegenteil: Sie führen dazu, dass schnell wieder weggeschaut wird.

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