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Ostern: Die Kraft des Verborgenen

Jesus' Auferstehung war ein vollkommen intransparenter Vorgang, rätselhaft, unwahrscheinlich und mysteriös. Das ist der Grund, warum sie den Stoff liefert für den Glauben. Es wäre schade, wenn das Dunkle verschwinden würde - nicht nur als Gegenpart zum Licht.

Jesus endete am Kreuz. Das ist kein Geheimnis, im römischen Reich wurde ganz offen getötet. Doch nicht die Kreuzigung hat eine Weltreligion begründet, sondern das, was danach im Verborgenen geschah, in der Dunkelheit des Grabes. Keiner hat gesehen, wie sich Jesus aus der Todesstarre löste. Die Auferstehung war ein vollkommen intransparenter Vorgang. Und doch entfachte gerade der Glaube an einen so unwahrscheinlichen, rätselhaften Vorgang eine ungeheure Kraft. Hätten sich die Christen mit dem Tod ihres Anführers abgefunden, sie wären eine kleine Sekte geblieben. Nicht das Offensichtliche, sondern der Glaube an ein Mysterium hat aus ihrer Niederlage einen Sieg gemacht; erst die Hoffnung hat ihre Schwäche in Stärke verwandelt.

Es ist wichtig, daran zu erinnern. Nicht nur, weil Ostern ist. Sondern weil diejenigen, die die Kraft des Glaubens und des Geheimnisses hochhalten, heute unter Verdacht geraten. Das gilt für religiöse Menschen, besonders für Fromme, die sich um des Glaubens willen bedecken. Wo Enthüllung alles ist, wird der Schleier zum Feind. Verdächtig machen sich aber auch andere, die es irritiert, dass immer mehr vom menschlichen Leben, Lieben und Leiden im Internet sichtbar ist. Die es beunruhigt, dass immer mehr Informationen verfügbar sind, gespeichert auf Chipkarten, vernetzt in anonymen Datenbanken, abrufbar bei Facebook und Google. Denn Transparenz, Sichtbarmachen, Offenlegen wird zum Fetisch.

Nichts gegen Aufklärung. Je mehr Informationen zugänglich sind, umso einfacher kann es sein, Kriminalität, Korruption und andere Missstände aufzudecken. Aber Transparenz ist kein Wert an sich. Aus der Transparenz, aus dem Offensichtlichen erwächst nichts. Es schürt höchstens Misstrauen und erhöht den Druck zur Anpassung. Wenn immer mehr auf einen Blick sichtbar ist, wer kann sich da noch einen Makel leisten? Das Wort „Transparenz“ setzt sich zusammen aus lateinisch „trans“ und „parere“. Parere bedeutete ursprünglich: auf jemandes Befehl hin erscheinen, parieren. Anders ausgedrückt: funktionieren.

Aber der Mensch ist nicht perfekt, er ist mal klug, mal doof, er hat Stärken und Schwächen, er ist hässlich und schön und scheitert andauernd. Gerade das macht sein Menschsein aus. Und vor allem: Er kann sich verändern. Das ist sein großes Potenzial. Man weckt es aber nicht durch den Hinweis auf das Offensichtliche. Das zweite Gebot heißt wohl nicht zufällig: „Du sollst dir kein Bildnis machen“.

Erst durch den Glauben daran, dass die Welt mehr ist als das Sichtbare, entsteht etwas Neues. Wäre Fortschritt möglich, wenn Menschen nicht träumen und experimentieren würden und nicht überzeugt wären, dass alles ganz anders sein könnte? Das Vertrauen darauf, dass Unmögliches vielleicht doch möglich ist, setzt unglaubliche Energien frei, die Forschung, die Universitäten wären undenkbar ohne diesen Antrieb. Weil Menschen daran glauben, dass sich der andere verändern kann, ist Versöhnung möglich. Eine transparente Liebe? Wäre langweilig. Die „Liquid Democracy“ der Piratenpartei, wer will sie in ihren Verästelungen verfolgen? „Die Durchsichtigkeit ist keine Hellsichtigkeit“, hat ein Philosoph neulich geschrieben. Man muss nicht an die Auferstehung glauben, um zu verstehen, dass auch das Dunkle, Verborgene, Geheimnisvolle wichtig ist. Schade, wenn es verschwinden würde.

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