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Meinung: Politik auf Pump

Amerika ist das größte Risiko für die Weltwirtschaft – und keiner tut was

Die Europäische Zentralbank hat gestern die Zinsen nicht gesenkt. Sie hat auch nicht erkennen lassen, dass sie in absehbarer Zeit am Devisenmarkt gegen den starken Euro intervenieren will. Beides hätte sie tun können, um den Euro-Kurs abzuschwächen. Oder um Europas Politikern wenigstens zu signalisieren, dass die Notenbank die derzeitigen Wechselkurse beunruhigend findet. Stattdessen hat sich der neue EZB-Chef Jean-Claude Trichet demonstrativ in Gelassenheit gehüllt – und klar gemacht, dass die Wechselkurse kein Problem der europäischen Notenbank, sondern eines der amerikanischen Federal Reserve seien.

Das stimmt nur zum Teil. Denn: Steigt der Euro über 1,30, so argumentieren die Wirtschaftsforschungsinstitute, wird der deutsche Export in den Dollarraum so teuer, dass der Aufschwung in Deutschland und Europa in Gefahr gerät. Das aber ist das Letzte, was sich Europa wünschen kann. Deshalb hatten viele erwartet, dass Zentralbankchef Trichet wenigstens so etwas wie ernste Besorgnis äußert – und daraus hätte man schließen können, dass es in diesem Frühjahr möglicherweise doch noch eine Zinssenkung geben könnte.

Trichet aber hat ziemlich deutlich gesagt, dass die EZB nicht handeln muss und auch nicht handeln will. Er hat darauf hingewiesen, dass die USA über ihre Verhältnisse leben. Und dass es Aufgabe der amerikanischen Notenbank und der US-Regierung ist, das wieder in Ordnung zu bringen. Weder der US-Notenbankchef Alan Greenspan noch Präsident George W. Bush haben daran im Augenblick ein Interesse. Im Jahr der Präsidentschaftswahl macht man Geld nicht knapp. Das ist ein ungeschriebenes Gesetz in den USA.

Dennoch wäre es dafür höchste Zeit. Das amerikanische Staatsdefizit ist selbst für deutsche Verhältnisse spektakulär hoch, dazu kommt ein Leistungsbilanzdefizit, das ein gefährliches Ausmaß erreicht hat. Das heißt nichts anderes, als dass die Amerikaner insgesamt mehr Geld verbrauchen, als sie selbst erwirtschaften. Deshalb verschuldet sich die Volkwirtschaft in wachsendem Maß im Ausland, vor allem in Åsien. Fällt in einer solchen Situation der Kurs einer Währung deutlich, müsste die Notenbank eigentlich die Zinsen erhöhen, um den Wechselkurs zu stabilisieren. Denn so könnte sie erstens dafür sorgen, dass Amerika und die amerikanische Währung als Anlageplatz für ausländisches Kapital attraktiv bleiben. Und zweitens würden hohe Zinsen die Lust der US-Regierung, der amerikanischen Konsumenten und der Unternehmen bremsen, sich noch weiter zu verschulden.

Doch diese Rechnung sieht in der Praxis ganz anders aus: Niemand hat ein Interesse daran, den Aufschwung in den USA zu bremsen und die Aktienkurse fallen zu lassen. Deshalb wird die amerikanische Notenbank voraussichtlich erst einmal gar nichts gegen den Wertverfall des Dollar und für die Stabilisierung des Weltfinanzsystems tun. Ob die Europäer und Japaner Alan Greenspan beim nächsten Treffen der Notenbanker in wenigen Tagen vom Gegenteil überzeugen können, ist auch nicht zu erwarten. Deshalb ist die Gefahr eines Dollar-Crashs nach wie vor nicht gebannt.

Würde sich aber der Verfall der amerikanischen Währung rasant beschleunigen oder sogar außer Kontrolle geraten, hätte das schwerwiegende Folgen für die Erholung Japans und Europas, der gesamten Weltwirtschaft. Auch deshalb liegt der Ball weiter im Feld der EZB.

Die Zinsen in Europa sind immer noch um einen Prozentpunkt höher als die in Amerika. Und: Die Inflationsgefahr im Euro- Raum ist so gering, dass die EZB die Zinsen schon noch einmal senken könnte. Interventionen am Devisenmarkt dagegen sind in der jetzigen Situation nicht besonders erfolgversprechend. Sie funktionieren in der Regel nur dann, wenn der Markt selbst schon auf eine Trendumkehr wettet und diese Einschätzung durch die Notenbanken verstärkt wird. Das aber scheint bisher nicht der Fall zu sein. Außerdem aber sind Interventionen nur dann nachhaltig, wenn sich die drei großen Notenbanken einig sind. Davon aber kann erst recht keine Rede sein.

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