zum Hauptinhalt

Meinung: Pornos gehören nicht zur Produktion

Surfen im Job: Jetzt hat das Bundesarbeitsgericht über eine besondere Kündigung geurteilt

Wer im Internet in seiner Arbeitszeit auf Porno- Seiten surft, wird dafür normalerweise keine beruflichen Gründe anführen können. Der Angestellte eines rheinland-pfälzischen Chemieunternehmens, der im Herbst 2002, in Pausen und wohl auch zwischendrein während der Arbeitszeit, auf dem firmeneigenen PC Pornos geguckt hat, machte insoweit keine besondere Entschuldigung geltend. Doch als ihn sein Unternehmen deswegen nach 17 Jahren Betriebszugehörigkeit kündigte, ging er vors Arbeitsgericht.

In zwei Instanzen haben die Richter dem Porno-Surfer weitgehend Recht gegeben. Die Firma hätte ihren langjährigen Mitarbeiter vor dem letzten, existenzgefährdenden Schritt der Kündigung wenigstens abmahnen müssen. Nun hat das Bundesarbeitsgericht in Erfurt den Fall in seiner Revisionsentscheidung wieder ans Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz zurückverwiesen. Diese Entscheidung war zu erwarten: Es müsse nochmals im Einzelfall die Verhältnismäßigkeit zwischen der Arbeitspflichtverletzung und einer Kündigung ohne Abmahnung geprüft werden. Dabei gehe es unter anderem um die Dauer der unberechtigten Internet-Nutzung, um die dem Unternehmen entstandenen Kosten und den möglichen „Imageverlust“ des Arbeitgebers.

Die Frage einer Rufschädigung durch den kleinen innerbetrieblichen Voyeur klingt gewiss etwas verschroben und wirtschaftlich weltfremd. Spannender wird es sein, ob das Bundesarbeitsgericht in seiner noch ausstehenden schriftlichen Urteilsbegründung neben den arbeitsmoralischen Aspekten sich auch substanzieller zu dem generellen Problem äußern wird. Denn durch neue Arbeitsabläufe, neue Technologien und flexiblere Arbeitszeiten haben sich die Grenzen zwischen Berufswelt und Privatsphäre mehr verschoben, als es Tarif- oder Einzelverträge oft wahrhaben können.

Viele Unternehmen und öffentliche Institutionen, in denen Computer mit Internetzugang längst so selbstverständlich wie Telefone zum Alltag gehören, versuchen durch betriebliche Vereinbarungen oder großzügige Duldung ihrerseits flexibel und effizient zu agieren. Kaum jemand wird behelligt, der per Mail oder Phone mal einen Babysitter bestellt, einen Arzttermin ändert oder in der Mittagspause ein Ferienflugticket im Internet bucht. Das bleibt verhältnismäßig, solange damit dem Arbeitgeber (fast) keine Kosten entstehen und darunter die Arbeit selbst nicht leidet. Viele Angestellte arbeiten ja eher mehr und effektiver, wenn sie dank elektronischer Kontakte weniger Zeit mit langen Wegen und umständlichen Besorgungen privat verlieren.

Vom Intimen oder Unappetitlichen abgesehen, gehört Sexsurfen allerdings zur Privatunterhaltung. Es ist zu einem Suchtphänomen geworden, das keiner Toleranz in der Arbeitswelt bedarf. Auch nicht, wie bei Rauchern, der Einrichtung von Porno-Ecken. Das hatten die Erfurter Richter wohl im Sinn.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false