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PORTRÄT ALAN GREENSPAN EX-US-NOTENBANKCHEF:: „Ich habe falsch gelegen“

Wer hätte das gedacht. Der große alte Mann des US- Finanzsystems, das „Orakel“ der Wall Street, gibt Fehler zu.

Von Andreas Oswald

Wer hätte das gedacht. Der große alte Mann des US- Finanzsystems, das „Orakel“ der Wall Street, gibt Fehler zu. Es wurde höchste Zeit. Der große Mythos Alan Greenspan bröckelt. Immer mehr Experten warfen ihm vor, Mitschuld an der Finanzkrise zu tragen. Jetzt meldet er sich selbst zu Wort: Die hochkomplexen Derivate nicht stärker zu regulieren, sei ein Fehler gewesen, sagte Greenspan am Donnerstag bei einer Anhörung vor einem Ausschuss des US-Kongresses. „Ich habe falsch gelegen mit der Annahme, dass Organisationen – speziell Banken – aufgrund von Eigeninteresse ihre Aktionäre und ihr Firmenkapital am besten schützen können“, sagte der 82-Jährige.

Mit diesen Worten hat er sein zentrales Argument widerrufen, mit dem er in den vergangenen 20 Jahren die Deregulierung hochriskanter Derivate betrieb. Er hielt die Banken für die besten Institutionen, die Märkte im Griff zu behalten. Seine ganze Autorität setzte er ein, um zu verhindern, dass die Politik den Banken hochriskante Geschäfte verbietet. Mehrmals hatten Experten von US-Regierung und im Kongress ausgerechnet, dass die Risiken der Derivate zu groß seien. Sie wurden auf Betreiben Greenspans und der Banken kaltgestellt, wie die „New York Times“ vor zwei Wochen ausführlich dokumentierte.

Greenspans ungeheure Autorität hat ihren Ausgangspunkt im „Black Monday“, jenem Tag im Oktober 1987, als die Börse um über 20 Prozent einbrach. Der von Reagan eingesetzte Notenbankchef sorgte dafür, dass Banken und Märkte ausreichend mit Geld versorgt waren, und verhinderte so eine Rezession. Der Mann schien Wunder vollbringen zu können. Auch die Fähigkeit, sich durch doppeldeutige Formulierungen scheinbar weise auszudrücken, vergrößerte seine Ausstrahlung. Er könne mit einem Heben der Augenbraue die Märkte bewegen, hieß es damals. In einem Klima des Aufschwungs in den 90er Jahren waren Greenspans Worte Gesetz. Die Aktienmärkte boomten, das Internet war der Markt der Zukunft, die Banken erfanden immer neue Finanzinstrumente. Bill Clinton vertraute dem Notenbankchef voll – und unterzeichnete das Gesetz, das den Banken freie Hand gab, Derivate zu erfinden und damit zu spekulieren.

Diese Blase ist geplatzt – und mit ihr der Mythos Alan Greenspan. Früher hatte er einmal Musiker werden wollen, schaffte gar die Prüfung zur Juilliard School. Aber Zahlen fand er faszinierender. Andreas Oswald

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