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PORTRÄT ALESSIO RASTANI HOBBYSPEKULANT:: „Goldman Sachs regiert die Welt“

Andy Warhol hat einmal gesagt, in der Zukunft werde jeder einmal für 15 Minuten berühmt sein. Damit beschrieb er eine Medienkultur, die es möglich macht, dass Menschen ohne besondere Fähigkeiten ins Rampenlicht rücken können.

Von Andreas Oswald

Andy Warhol hat einmal gesagt, in der Zukunft werde jeder einmal für 15 Minuten berühmt sein. Damit beschrieb er eine Medienkultur, die es möglich macht, dass Menschen ohne besondere Fähigkeiten ins Rampenlicht rücken können. Seit Warhol diesen Satz im Jahr 1968 aussprach, häufen sich die Beispiele auf beängstigende Weise: Die Zuschauer der BBC staunten Anfang der Woche nicht schlecht, als ein Börsenspekulant namens Alessio Rastani im Interview sagte: „Die meisten meiner Kollegen scheren sich nicht darum, welche Pläne Politiker als Ausweg aus Krisen schmieden. Ihr Job ist es schlicht, daraus Kapital zu schlagen. Ich gehe jeden Abend zu Bett und träume von einer Rezession. Mit dem richtigen Plan kann man eine Menge Geld verdienen.“ Als ihn die BBC-Moderatorin schockiert anschaute, sagte er weiter: „Nicht Regierungen regieren die Welt, Goldman Sachs regiert die Welt.“

Offene Worte. Endlich sagt ein Trader das, was jeder schon immer irgendwie ahnte. Was bisher zu fehlen schien, war der klare Beleg, eine Art Kronzeuge, der endlich auspackt. Sein Auftritt wurde zum Youtube-Hit. In Zeitungen und Internetforen schäumte es. „Die Banken lieben das wirtschaftliche Desaster“, schrieb die rechte „Daily Mail“. Der linke „Independent“ meinte, Rastani habe „den Deckmantel gelüftet über das, was in den Banken wirklich gedacht wird“.

Manche Beobachter aber wurden stutzig. War dieser Trader mit den gegelten Haaren doch ein bisschen zu glatt, zu zynisch, zu karikaturenhaft. Die Recherchen blieben nicht aus. Laut „Daily Telegraph“ ist der 34-Jährige nicht offiziell als Börsenhändler gelistet, sondern besitzt eine schlecht laufende Kommunikationsfirma, die verschuldet ist. Er betreibt eine Webseite, auf der er sich als Trader und Finanzmarktspezialist preist. Rastani gab schließlich zu, ein „Aufmerksamkeitssucher“ zu sein, der Aktienhandel nur als Hobby betreibt. Die BBC, die offenbar händeringend irgendeinen „Experten“ gesucht hatte, versicherte, sie habe keinen Hinweis gefunden, dass Rastani kein professioneller Börsenmakler sei. Die „Yes Men“, eine Spaßguerilla, die öfter mit einer solchen Masche öffentliche Veranstaltungen geentert hat, dementierten, dass Rastani einer von ihnen sei, lobten aber seinen Auftritt.

Was lehrt uns das? Wenn einer keine Ahnung hat, hat er doch vielleicht recht. Oder umgekehrt: Je mehr das Publikum in Klischees denkt, desto besser kann man es reinlegen.Andreas Oswald

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