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PORTRÄT HELLE THORNING-SCHMIDT WAHLSIEGERIN IN DÄNEMARK:: „Wir wollen Wachstum“

Du weißt hoffentlich, dass man mit einer Gucci-Tasche nicht unsere Wähler erreicht? Die nennen dich schon Gucci-Helle!

Du weißt hoffentlich, dass man mit einer Gucci-Tasche nicht unsere Wähler erreicht? Die nennen dich schon Gucci-Helle!”, bemerkte ein Genosse einst in kleiner Runde, nachdem Helle Thorning-Schmidt 2005 den Parteivorsitz der dänischen Sozialdemokraten übernommen hatte. „Wir können doch nicht alle gleich aussehen“, antwortete sie – und vereinte im Laufe der Zeit ihre durch den Machtverlust 2001 aus den Fugen geratene Arbeiterpartei, die das Land wie keine andere politische Kraft seit dem Zweiten Weltkrieg geprägt hatte.

Ihren Gucci-Taschen ist die 44-jährige Tochter einer gehobenen Mittelschichtsfamilie treu geblieben. Die voraussichtlich erste weibliche Ministerpräsidentin Dänemarks hatte beim Elitestudium am belgischen Europakollegium ihren Mann Stephen Kinnock, Sohn des einflussreichen britischen Ex-Labourchefs, kennengelernt. Kritik an ihrem teuer-eleganten Auftreten weist sie zurück. Schließlich frage auch niemand männliche Linkspolitiker nach deren teuren Uhren und Anzügen.

Thorning-Schmidt, die zum dominierenden rechten Flügel ihrer Partei gehört, zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass sie weich, aber auch hart sein kann, meinen Parteikollegen. Umverteilung ja, nachfrageorientierte Politik durch staatliche Förderungen statt Sparen wie die Bürgerlichen ja, aber jeder müsse auch Opfer bringen, etwa eine Stunde länger arbeiten pro Woche angesichts der Wirtschaftskrise, so lautete ihre Grundbotschaft im Wahlkampf.

An der harten Einwanderungspolitik und der ungewöhnlich aggressiven Außenpolitik will Thorning-Schmidt, die in einem Vorort von Kopenhagen mit einem Drittel Ausländeranteil groß geworden ist, nichts ändern. Vor allem das Schreckgespenst einer vermeintlich lockereren Ausländerpolitik mit einer Linksregierung hatte der bürgerlichen Regierung mit ihrer stimmenstarken rechtspopulistischen Stützpartei zuvor stets die Wiederwahl gesichert.

Dennoch scheint sich die Politologin, die erst 1993 den Sozialdemokraten beitrat, ein Herz für die Linke beibehalten zu haben. Erstmalig für die Sozialdemokraten Dänemarks hat sie eine Wahlkampfallianz mit den gemäßigten Sozialisten, der sozialliberalen Radikale Venstre Partei und der betont linken Einheitspartei geschmiedet. Zumindest die letzteren beiden Parteien wollen die Rückkehr zu einer deutlich humaneren Ausländerpolitik. Der Machtwechsel bietet dafür eine Chance. André Anwar

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