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PORTRÄT JÖRG ASMUSSEN: BALD IM EZB-DIREKTORIUM:: „Die Deutschen werden dazu- lernen müssen“

Die Erkenntnis, dass die Deutschen und ihre manchmal hysterische Angst vor so etwas wie einer europäischen Transferunion in der Euro-Schuldenkrise mehr und mehr in den Verdacht geraten, Teil des Problems statt einer Lösung zu werden, ist nicht neu. Man muss sich nur den aktuellen Streit der Bundesregierung mit den Franzosen darüber ansehen, auf welchem Weg die immensen finanziellen Folgen einer Teilentschuldung Griechenlands abgefangen werden sollen.

Von Antje Sirleschtov

Die Erkenntnis, dass die Deutschen und ihre manchmal hysterische Angst vor so etwas wie einer europäischen Transferunion in der Euro-Schuldenkrise mehr und mehr in den Verdacht geraten, Teil des Problems statt einer Lösung zu werden, ist nicht neu. Man muss sich nur den aktuellen Streit der Bundesregierung mit den Franzosen darüber ansehen, auf welchem Weg die immensen finanziellen Folgen einer Teilentschuldung Griechenlands abgefangen werden sollen.

Will Frankreich (von Italien oder Portugal soll gar keine Rede sein) seine Banken aus dem Rettungsfonds EFSF rekapitalisieren, rufen die Deutschen: Nein, wir zahlen doch nicht für eure Banken. Schlägt Paris vor, der Europäischen Zentralbank EZB die faulen griechischen Anleihen zu übertragen, heißt es in Berlin wieder: Keine Chance, so etwas importiert Inflation. Und eine Ausweitung des Kapitals des EFSF über Hebel? So etwas kommt erst recht nicht in die Tüte.

Die Deutschen sorgen sich um die Stabilität ihres Euro. Zum personalpolitischen Statement dieser Haltung sind in den letzten Monaten zwei Spitzenmänner der EZB, Bundesbankchef Axel Weber und der Chefvolkswirt Jürgen Stark, geworden. Man könnte sagen: Sie traten zurück, weil die Realität von ihnen erwartete, was im Lehrbuch der deutschen Ordnungspolitik nicht vorkommt.

Kein Geringerer als Jörg Asmussen, bislang noch Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, bald oberster Ökonom in der EZB, hat jetzt ein erstes Zeichen des Umdenkens gesetzt. Im Gegensatz zu den „Dogmatikern“ (womit er zweifellos auch seinen Vorgänger meinte), sagte Asmussen dieser Tage vor dem Europaparlament, zähle er sich selbst zu den „Pragmatikern“. Was so viel heißt wie: Der neue Chefvolkswirt der EZB ist ganz und gar nicht der Auffassung, dass die Unabhängigkeit der Zentralbank wackelt, weil sie Anleihen von klammen europäischen Staaten aufkauft, um gesamtkontinentale Ansteckungen zu verhindern.

Und auch eine Hebelung des Kapitals des Rettungsschirmes EFSF zum Zweck der Kapitalmengenausweitung sieht Asmussen keinesfalls als ordnungspolitischen Sündenfall, den er im Zweifel mit seiner Ehre zu verteidigen hätte. „Die Deutschen werden dazulernen müssen“, resümierte der erfahrene Berliner Finanzbeamte mit SPD-Parteibuch. Fragt sich nur, ob die Zeit dazu reicht. Asmussen tritt sein neues Amt in der EZB erst im Januar an. Antje Sirleschtov

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