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PORTRÄT TOMISLAV NIKOLIC SERBISCHER NATIONALIST:: „Ich habe nur gescherzt“

Ein perfekter Landesvater – diesen Eindruck machte Tomislav Nikolic bei seinem ersten öffentlichen Auftritt nach Schließung der Wahllokale.

Soeben hatte er bei der ersten Runde der serbischen Präsidentschaftswahlen fast 40 Prozent der Stimmen errungen und damit seinen Widersacher, Amtsinhaber Boris Tadic, auf den zweiten Platz verwiesen. Dem 55-Jährigen mit den graumelierten Haaren kam kein einziger Seitenhieb auf seine politischen Gegner über die Lippen, er bedankte sich bei allen sogar artig für den fairen Wahlkampf: „Ich möchte Serbien einigen und auf einen besseren Weg bringen.“

Obwohl sich seine versöhnlichen Auftritte in den letzten Tagen des Wahlkampfes auf Anraten seiner Berater gehäuft hatten, wissen in Serbien alle, dass Nikolic ein knallharter Ultranationalist ist, der heute das Ziel eines Großserbien genauso vor Augen hat wie schon in den 90ern. Für ihn ist überall dort Serbien, wo es ein serbisches Grab gibt. Darin steht der Vizepräsident der Serbischen Radikalen Partei (SRS) in keiner Weise seinem Parteichef und mutmaßlichen Kriegsverbrecher Vojislav Seselj nach. Beide führten paramilitärische Einheiten an, beide hatten unter Slobodan Milosevic einflussreiche politische Ämter inne.

Nachdem sich Seselj 2003 freiwillig dem Kriegsverbrechertribunal für das ehemalige Jugoslawien in Den Haag gestellt hatte, stieg Nikolic zur Führungsfigur der Radikalen in Serbien auf. Seselj ist aber weiterhin Vorsitzender der Partei. Im Wahlkampf ließ Nikolic denn auch provokativ verlauten, er könnte sich durchaus vorstellen, im Falle seines Sieges Seselj zum Ministerpräsidenten zu machen. Wie sein Parteichef das Premiersamt von der Gefängniszelle aus erledigen sollte, sagte Nikolic nicht.

Während sein Widersacher Tadic Serbien möglichst schnell in die EU führen will, bevorzugt Nikolic die kritische Distanz zu Brüssel. Seinen Vorschlag, Serbien zu einem russischen Gouvernement zu machen, nahm Nikolic in den letzten Tagen des Wahlkampfes allerdings wieder zurück. „Ich habe nur gescherzt“, sagte er kleinlaut.

Doch mit der Diplomatie dürfte es schnell zu Ende sein, falls Nikolic tatsächlich zum serbischen Präsidenten gewählt werden sollte. Denn dann werden die ultranationalistischen Radikalen, die sich heute als stärkste Partei in Serbien mit der Oppositionsrolle begnügen müssen, nach der ganzen Macht streben – und damit natürlich auch nach der Regierungsbank.

Norbert Rütsche

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