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POSITIONEN: Aus einem fernen Land vor unserer Zeit

Brauchen wir überhaupt noch einen Bundespräsidenten?

Drei Bundespräsidenten haben Geschichte geschrieben: Theodor Heuss, Gustav Heinemann und Richard von Weizsäcker. Der „alte Adenauer“, Gründungskanzler der Bundesrepublik, pilgerte regelmäßig zum Bundespräsidenten, um mit ihm Staatsgeschäfte zu erörtern. Der Macher, der mächtigste Mann im neu gegründeten Staate, erstattete dessen Oberhaupt Rapport. Als Fritz Walter mit seinen Mannen 1954 die Fußballweltmeisterschaft gewann, fuhren die „Helden“ in die Bundeshauptstadt Bonn und wurden von Heuss empfangen. Der deutsche Spielführer verneigte sich vor seinem Präsidenten mit einem tiefen Diener. Heuss hatte seinem Amt Würde und Stil gegeben. Nach dem Nationalsozialismus war er der richtige Mann, „Papa Heuss“ eben.

Gustav Heinemann war Industrieller, Mitglied der Bekennenden Kirche, erster CDU-Innenminister im Kabinett Adenauer, Wiederbewaffnungsgegner und am Ende sozialdemokratischer Bundespräsident. Er symbolisierte die sozial-liberale Zeit. Nicht nur der Koalition aus SPD und FDP ist er vorausgegangen; er war auch der Präsident des Protests. Die „68er“ mahnte er, nicht mit dem Finger auf andere zu zeigen, weil dann zwei Finger auf einen selber weisen. Seine Mahnungen wurde ernst genommen. Heinemann hatte etwas zu sagen.

Der „Kanzler der Einheit“, Helmut Kohl, hätte ihn lieber nicht auf dem Präsidenten-Stuhl gesehen. Aber Richard von Weizsäcker erkämpfte sich dieses Amt. Als Präsident wurde Richard von Weizsäcker Meister der geschliffenen Rede. Und als er mit Handwerkern aus der schon untergehenden DDR zusammensaß, wünschten sie sich ihn als Präsidenten. Richard von Weizsäcker war der Präsident der Einheit im Innern.

Heute fragen sich viele, wozu wir einen Präsidenten brauchen. Im Parlamentarischen Rat hatte man den Reichspräsidenten der Weimarer Republik vor Augen. Dass Deutschland 1933 in das Verbrechen schlitterte, erklärte sich nach 1945 der Parlamentarische Rat damit, dass der letzte Reichspräsident Adolf Hitler ins Kanzleramt gelassen hatte. Nie wieder sollte ein Präsident solche Macht haben. Der Bundespräsident wurde oberster Notar der Republik. Er sollte nicht direkt vom Volk gewählt werden, sondern von der Bundesversammlung. Seine Aufgaben sollten protokollarisch sein, politisch sollte er nur einspringen, wenn Bundestag und Bundesregierung nicht miteinander klarkämen. Dann sollte er das Recht haben, das Volk als Schiedsrichter anzurufen. Mehr nicht.

Heute sagen manche Politiker, der Bundespräsident solle Vorbild sein. Für wen denn, und wo steht das in der Verfassung? Er verfüge über die Kraft des Wortes, so wird auch gesagt. So könne er Einfluss nehmen auf die Politik. Solche informellen Möglichkeiten aber haben Präsidenten wie Heuss, Heinemann und Weizsäcker in ihrer Amtszeit erarbeitet. Sie stehen aber nicht jedem zur Verfügung.

Es zeigt sich, dass es gegenwärtig kaum möglich ist, in die Fußstapfen der drei großen Präsidenten zu treten. Das liegt vielleicht gar nicht an den Personen, sondern daran, dass die Republik reifer geworden ist, dass sie sich entfaltet hat. Daher ist es an der Zeit, zu überprüfen, ob das Land noch einen, wenn auch abgespeckten, Ersatzkaiser braucht. Die Diplomaten kann auch der Bundestagspräsident empfangen, den Ministern und Beamten kann auch er die Urkunden überreichen, und den Bundestag auflösen, wenn es nicht mehr weitergeht, kann er auch. Über alles wacht ohnehin das Bundesverfassungsgericht. Und Sinn stiften kann in einer pluralistischen Gesellschaft ohnehin nur, wem es gegeben ist. An ein Amt ist das nicht gebunden.

Es ist Zeit, dass Deutschland, in dem sich so viel geändert hat, auch modernere politische Strukturen annimmt. Das Parlament repräsentiert das Volk, die Regierung führt die Geschäfte, der Bundesrat vertritt die Länder, und das Verfassungsgericht hält Wache. Brauchen wir da noch einen Bundespräsidenten?

Der Autor ist Politikwissenschaftler und FDP-Mitglied.

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