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Meinung: Positionen: Die Frau und der Embryo - ein Kommentar von Monika Knoche

Längst ist nicht mehr von Schwangerschaft und Grundrechtekonflikt die Rede. Vielmehr kommt die Frau gar nicht mehr vor.

Längst ist nicht mehr von Schwangerschaft und Grundrechtekonflikt die Rede. Vielmehr kommt die Frau gar nicht mehr vor. Heute ist der Embryo von gesteigertem Interesse. In der Petrischale liegt er gewissermaßen bereinigt vor. Seit Technik die Fruchtbarkeit der Frau aus ihrer Körpergrenze herauslösen kann, ist die Frage der ethischen Grenzen neu zu bestimmen: Der Embryo ist in der Welt, ohne von einer Frau getragen zu werden.

Darüber hinausreichende Anwendungen der Bio- und Gentechnologie am Menschen sind geeignet, unser Verständnis vom Menschen selbst aufzulösen. Die nicht ermessbare Dimension aller mit dieser Technik verbundenen Handlungsoptionen und der futuristische Charakter heutiger Entscheidungen bedeuten an sich schon eine Überforderung. Wie aber lässt sich Moral dann fühlen, wenn das Gegenüber sich noch nicht körperlich als Mensch gebildet hat? Hat der Embryo, weil man seiner habhaft wurde, er handhabbar ist, sein Geheimnis verloren?

Mit der Verschmelzung von Ei und Samenzelle beginnt das Geheimnis des Lebens. Woraus ein Mensch werden kann, darf kein verzweckbares Objekt werden. Gerade aber seine Subjekthaftigkeit, dass er Person ist, wird neuerdings angezweifelt. Gewaltige Interessen zerren an ihm, die allesamt nicht seiner Entwicklung als Mensch dienen, sondern ihn in seiner ihm innewohnenden Potenzialität für andere nutzbar machen wollen. Jetzt, da er nicht mehr nur gezeugt, sondern auch erzeugt werden kann, ist eine Diskussion gegen die Menschenwürde des Embryos in vitro entbrannt.

Der medizinische Nutzen - so das Argument - rechtfertige es, ihn aus dem Gültigkeitsbereich der Menschenwürde auszugrenzen. Das Tabu stört. Der In-vitro-Embryo unterscheidet sich zwar in nichts vom In-vivo-Embryo in seiner Möglichkeit Mensch zu werden - außer dass der eine in der Frau ist und der andere ohne sie in der Welt. Deshalb schützt ihn das Embryonenschutzgesetz vor fremdnützigen Interessen. Diese klare grundrechtsrelevante Vorgabe macht es den neuen Nützlichkeitsethikern schwer. Denn die Schutzpflicht des Staates für den In-vitro-Embryo ergibt sich aus seiner prinzipiellen Schutzlosigkeit. Die ethische und moralische Grenze ist gesetzt. Da mag es nicht erstaunen, dass man, um das Tabu zu brechen, sich der Sprache des "gesunden Menschenverstands" bedient.

Wie man zweckrational das Menschenbild und Menschenrecht der Verfassung neu interpretieren kann, zeigte Wolfgang Schäuble, CDU, dieser Tage in der "FAZ". Er fällt sofort mit der Tür ins Haus und will die embryonale Stammzellforschung legalisieren. Auch Schäuble ist die Frau ein Anliegen, wiewohl er nicht von ihr spricht. Vielmehr ruft er aus: "Vergesst die Mutter nicht." Es geht ihm nur um den Embryo: "Wesensnotwendig für die ethisch-rechtliche Normsetzung des Embryos ist der Bezug zur Mutter."

Soll das nun bedeuten, die Menschenwürde des Embryos ließe sich nur im Körper der Frau konstituieren? Warum? Weil sie qua Abtreibungsurteil ihr Selbstbestimmungsrecht unter das Lebensrecht des in Zweiheit in Einheit sich entwickelnden Embryos definiert bekam? Weil sie einer prinzipiellen, biologistisch definierten Gebärpflicht unterliegt? Doch wie kann man daraus ableiten, dass das Getragen- und Geboren-werden-müssen erst die Menschenwürde des Embryos in vivo begründet?

Nicht jeder, der für ein gestuftes Schutzkonzept eintritt, sieht sich als Nützlichkeitsethiker oder will dem Embryo absprechen, auch menschliches Leben zu sein. So ist man auf der Suche nach einer praktischen Lösung. Sie ist auch sehr einfach zu verstehen. Nur dem in der Frau gezeugten Embryo käme demnach weiterhin Menschenwürde zu, worauf der Grundrechtskonflikt im Abtreibungsrecht basiert. Der Paragraf 218 bliebe unberührt. Dem erzeugten Embryo, dem in der Petrischale, käme nur Lebensschutz zu, und der ist bekanntlich abwägbar je nach höherrangigen Interessen.

Die Forschung wäre so ein Interesse. Um es zu befriedigen, bedürfte es eines neuen Gewissensentscheides im Parlament. Menschenwürde könnte der In-vitro-Embryo bei diesem Modell aber auch zuerkannt bekommen, - unabhängig von seiner Machart - sofern er zum Zwecke seiner Entwicklung als Mensch den Uterus der Frau erreicht und man mit ihm nichts anderes mehr vorhat, etwa eine eugenische Selektion.

Das Credo für einen pragmatischen Zynismus ist wohl kalkuliert. Wer dem Drängen der Forscher nachgeben will, muss das Embryonenschutzgesetz ändern. Ein gestuftes Lebensrecht wird dann offeriert werden. Auch für das Recht auf ein Wunschkind wird man sich offen zeigen, dem fiktiven Selbstbestimmungsrecht in nicht existierender Notlage einer nicht schwangeren Frau Rechnung tragen. Es wird ein modernes Gesetz sein, das es erlaubt, am Paragrafen 218 festzuhalten und gleichzeitig den Schutzgehalt des Embryos verfügbar zu machen. Alles, was heute so kontrovers diskutiert wird, könnte in einem Fortpflanzungsmedizingesetz samt eugenischer Selektion, altruistischer Eizellspende für forschungs- und therapeutische Zwecke, experimentellem Klonen - warum nicht? - enthalten sein. Alles wäre möglich, wenn nur die Frau ihre selbstbestimmte Entscheidung über ihre reproduktiven Potenziale getroffen hat.

Die Eizelle ist Quelle zur Schöpfung der neuen Ressourcen der kommenden Jahrzehnte. Zum Mittun müssen die Frauen noch umworben werden. Die Fortpflanzung, die Leben gebende Kraft der Frau, müsste zuerst entsexualisiert, dann entkörperlicht, dann entsinnlicht werden, um aus dem Bereich des Sittlichen, aus dem Bereich der Verantwortung, der Kultur, des Sozialen verdrängt und zuletzt reproduktives Material zu werden. Ob das noch ein Thema sein wird, hängt maßgeblich davon ab, ob die Menschenrechtsfrage der Moderne als das behandelt wird, was sie ist: eine Frauenfrage, wie es noch nie eine gab.

Monika Knoche

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