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POSITIONEN: Die nackte Kanone

Die Sicherheitsbedrohungen durch den internationalen Terrorismus erfordern die Weiterentwicklung der Sicherheitstechnologien, wie die Terahertz-Technologie. Ein Nacktscanner, wie er in Brüssel zum Einsatz kam, ist allerdings keine Lösung. In der Zukunft müssen die angewandten Technologien mehr Sicherheit gewährleisten, ohne die Freiheiten der Bürger einzuschränken.

Die Terroranschläge in Bombay haben uns wieder einmal besonders deutlich gemacht, welchen neuen Gefahren unsere Gesellschaft ausgesetzt ist. Der technische Fortschritt und die Globalisierung gehen neben Wachstum und Wohlstand einher mit Angriffen auf unsere Sicherheit, auf Freiheit und Rechtsstaatlichkeit. Darauf müssen wir uns künftig noch mehr vorbereiten.

Die Industriegesellschaft ist angreifbar. Sie ist dicht mit Infrastrukturnetzen überzogen, die Mobilität, Energie und Informationsflüsse sichern. Diese Infrastrukturnetze sind Lebensadern und damit neuralgische Punkte. Aber nicht nur Terrorismus und organisierte Kriminalität, auch Naturkatastrophen und technische Unfälle können in unserer dicht vernetzten Welt große Schäden anrichten.

Es ist die oberste Pflicht des Staates, die Bürger vor Bedrohungen jeglicher Art zu schützen. Angesichts einer diffusen Bedrohungslage ist das eine enorme Herausforderung für Politik und für Wissenschaft und Forschung. Das Bestreben, mehr Sicherheit zu schaffen, darf Freiheit und Rechtsstaatlichkeit auf keinen Fall beeinträchtigen. Der Maßstab für alle Sicherheitsmaßnahmen muss deshalb die richtige Balance sein zwischen dem, was notwendig ist, und dem, was zulässig ist; zwischen der Garantie von Sicherheit und dem Schutz der Privatsphäre. Das ist eine anspruchsvolle Aufgabe, die nur eine intelligente Sicherheitsforschung lösen kann.

Deshalb investiert die Bundesregierung bis 2010 insgesamt 123 Millionen Euro in ein ziviles Sicherheitsforschungsprogramm, das von Anfang an auch die gesellschaftliche Dimension in den Blick nimmt. Wie wichtig dieser umfassende Forschungsansatz ist, hat die Diskussion um den Einsatz von so genannten Nacktscannern an europäischen Flughäfen gezeigt. Diese Scanner sind mit ihren drastischen Eingriffen in die Privat- und Intimsphäre völlig inakzeptabel. Sie nutzen unausgereifte Technologien, die ethische Aspekte nicht berücksichtigen.

Fakt ist: Bestimmte Waffen wie Keramikmesser oder Sprengstoffe können mit den bisherigen Metalldetektoren nicht gefunden und nicht sichtbar gemacht werden. Wir brauchen deshalb Technologien, die solche Waffen erkennen können. Alles andere wäre unverantwortbar. Um den Flugverkehr sicherer zu machen und die Sicherheit von Millionen von Reisenden besser zu gewährleisten, brauchen wir aber keine Nacktscanner. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert deshalb die Erforschung der Terahertz-Technologie, die Sicherheitsscanner einer ganz neuen Generation ermöglicht. So fördern wir eine Technologie, die mehr sieht und weniger zeigt.

Das Ziel ist, mit neuen Technologien Waffen aufzuspüren. Dafür muss niemand einen Körper abbilden. Die Terahertz-Technologie arbeitet an Lösungen, bei der es nur eine anonymisierte, schematische Darstellung des Körpers gibt. Eine solche Forschung ist nicht nur technisch anspruchsvoller. Sie erfordert auch einen anspruchsvollen Dialog von denjenigen, die die Technik entwickeln, und denjenigen, die rechtzeitig die Antworten auf die damit verbundenen ethischen Fragen geben.

Geistes- und Sozialwissenschaften müssen stärker an diesem Dialog beteiligt werden; sie sind keineswegs nur Begleiter oder Akzeptanzbeschaffer. Vielmehr muss die ethische Forschung von Beginn an die technologischen Lösungen mitbestimmen – wenn nicht gar bestimmen.

Die Ethik setzt das Ziel. Sie ist maßgeblich für die Frage, welches Modell von Sicherheit und welche Sicherheitskultur in unserer Gesellschaft gelten sollen. Ethik ist der Treiber für die Technologieentwicklung. Sie gibt frühzeitig die Richtung vor und fordert auf, verantwortbare Lösungen zu entwickeln. Das ist der Schlüssel, um den Bürgern angesichts der neuen Gefahren zugleich mehr Sicherheit und mehr Freiheit zu gewährleisten. Wir wollen Technologien, die mehr Sicherheit gewährleisten und zugleich die Persönlichkeitsrechte wahren.

Die Autorin ist Bundesministerin für Bildung und Forschung.

Annette Schavan

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