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Positionen: Die Potenz der Potentaten

Der französische Präsident Nicolas Sarkozy und seine neue Frau Carla Bruni zeigen: Macht ist geil und macht geil.

Wie schön, dass man in den letzten Wochen so vieles über die Franzosen zu lesen und zu hören bekam: wie sie leben, wie sie lieben, und wie es ihre Präsidenten doch so anders treiben als unser Kanzler oder unsere Kanzlerin. Das zumindest muss man Turbo-Sarko zugestehen: er hat mit seiner amourösen Eskapade mehr für den internationalen Kulturdialog getan als das Institut Français in einem Jahr. Jetzt wissen wir, dass die Mätressenwirtschaft im Elyséepalast eine jahrhundertelange Tradition hat, und dass es in bürgerlichen Zeiten darauf ankommt, das, was unter der Decke geschieht, unter der Decke zu halten.

Aber viel interessanter ist doch die Volksbegeisterung, die dieser Staatsspitzenerotik entgegengebracht wird. Das große öffentliche Interesse am Geschlechtsleben der Präsidenten ist gar nicht so abwegig und ungesund, wie es durch die Boulevardberichterstattung erscheint. Immerhin waren es doch gerade die sozialpsychologisch durchtrainierten 68er, die Sexualität als Politikum propagierten.

Damit hielten sie jedoch nur den äußersten Zipfel einer komplexen kulturgeschichtlichen Konstellation in Händen. Sexualität hängt nämlich mit Politik auch deswegen zusammen, weil die Potenz der Potentaten von jeher als Zeichen ihrer Macht verstanden wird: beides geht auf den lateinischen Begriff „potestas“ zurück. Man hat das vor ein paar Jahren gut verfolgen können, als die Nachricht, dass der britische Premierminister wieder Vater werde, ein ungeheures Echo fand. In der Tat war Tony Blair der erste britische Premier seit 150 Jahren, der während seiner Amtszeit ein Kind zeugte, und die Zeugungsfähigkeit des Mannes gehört nun mal zu seinen definitiven Machterlebnissen.

In früheren Zeiten waren die Herrschenden auch die am meisten Zeugenden. Von dieser Gleichung hat sich dem modernen Mann zwar in anthropologischen Tiefenschichten noch ein schwummriges Gefühl erhalten, aber das wird höchstens dann zum Thema, wenn so einer wie Tony oder Nicolas den Horizont aufreißt. Mit der den beiden eigenen hedonistischen Direktheit führten sie der Welt die Gültigkeit einer in Vergessenheit geratenen Tatsache vor: Macht ist geil und macht geil.

Daran hat sich seit feudalistischen Zeiten wenig geändert. Die Bettgeschichten der Fürsten waren die Grundlage ihrer Geschichte überhaupt. Das Wichtigste an jedem Adelsgeschlecht ist das Geschlecht. Die Zeugungsorgane der Adligen sind ihr Daseinsauftrag schlechthin, und das Volk ist von jeher darauf verwiesen, sich mit ihrem Einsatz zu beschäftigen.

So gesehen, ist Sarkozy ein Traditionalist, bei aller Modernität der publizistischen Gestaltung seines Liebeslebens. Dasselbe gilt für Carla Bruni, die mit sicherem Instinkt auf Alpha-Tiere fliegt. Dabei findet sie ein dickes Konto (Donald Trump) weniger attraktiv als die Atombombe. Wer über die force de frappe gebietet, darf auch bei ihr das Zepter schwingen.

Ein bisschen Zivilisationsfortschritt liegt jedoch gerade in der exhibitionistischen Allüre dieser beiden. Gewiss besaß Mitterrand mehr Stilgefühl, aber was für Abgründe taten sich dahinter auf! Sarkozys Elysée-Erotik verschleißt den Staatsapparat jedenfalls weniger als das Geheimpolizei-Getue früherer Präsidenten.

Der vor elf Jahren gestorbene Schriftsteller Jean-Edern Hallier gehörte zu den wenigen, die über Mitterrands Privatleben Bescheid wussten. Und er war der Einzige, der das ungeschriebene Gesetz, dieses Wissen für sich zu behalten, brach. Nicht von ungefähr bekam er ungebetenen Besuch von finsteren Gestalten, die klar im Auftrag der Staatsspitze handelten. Dass seine Telefone abgehört wurden, kam später ans Licht und wurde in 133 Fällen offiziell bestätigt. Im Herbst 1996, ein halbes Jahr nach Mitterrands Tod, beschuldigte Hallier dessen Außenminister Dumas in einem Buch, er habe ihn, Hallier, beseitigen lassen wollen. Ein Vierteljahr danach kam Hallier bei einem mysteriösen Fahrradunfall ums Leben.

Der Autor ist freier Journalist und Buchautor. Er lebt in Köln und Genf.

Burkhard Müller-Ullrich

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