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POSITIONEN: Geliebter, gehasster Staat

Das seltsame Verhältnis der Deutschen zu Privatisierungen Von Daniel Dettling

Vor wenigen Tagen ist in den Kinos ein Dokumentarfilm angelaufen, der es politisch in sich hat, weil er eindeutig Position bezieht. „Der große Ausverkauf“ berichtet von den Folgen weltweiter und misslungener Privatisierungen. Der Stil setzt auf großes Vereinfachen. Auf die vielen, sicher furchtbaren, Einzelschicksale kommt es den Machern nicht an. Was zählt, ist die eine Botschaft: „Öffentliche Güter wie Wasser, Verkehr und Gesundheit dürfen nicht privatisiert werden.“ Der Feind und Verursacher ist schnell benannt: Weltbank und der „entwickelte Westen“ zwingen die verschuldeten Länder, die öffentliche Daseinsvorsorge aufzugeben und ihre Infrastruktur der Profitmaximierung auszusetzen.

Wer soll Produktion, Betrieb und den Zugang zu öffentlichen Gütern sicherstellen, der Staat oder der freie Markt? In einer komplexen Gesellschaft sind einfache Antworten hierauf nicht die besten. Während Länder wie die USA allein auf den Markt und andere Gesellschaften wie die Nachbarn im Norden eher auf den Staat setzen, ist das Verhältnis der Deutschen zum Staat und seinen Gütern der öffentlichen Daseinsvorsorge von einer merkwürdigen Hassliebe geprägt. Betreibt der Staat neben der Bereitstellung und Finanzierung öffentlicher Güter wie Bildung, Post und Telekommunikation diese auch noch selbst, werden übermäßige Bürokratie und Beamtentum kritisiert. Entlässt der Staat diese Güter (zum Teil) in die Freiheit und überlässt sie dem Wettbewerb, werden Profitstreben, Managerversagen und der „Ausverkauf des Staates“ beklagt.

Das aktuelle Beispiel für diese Hassliebe ist die anstehende Teilprivatisierung der Deutschen Bahn. Viele Bürger verbinden mit Wettbewerb, Privatisierung und Globalisierung negative Veränderungen. Die Bürger erhoffen sich zwar Vorteile von der Bahnprivatisierung, nehmen aber an, dass sie ihnen zuerst einmal Nachteile in Form von Preiserhöhungen und Arbeitsplatzabbau bringen. Eine neue Umfrage von Forsa zum Thema Bahnprivatisierung zeigt, dass viele Bürger diese Reform nur schwer verstehen (www.zukunftmobil.de). Dennoch lehnen fast zwei Drittel Eingriffe der Politik in das Alltagsgeschäft der Bahn ab. 51 Prozent meinen, es sei nicht Aufgabe des Staates, selbst einen Verkehrsbetrieb wie die Bahn zu betreiben. Eine knappe Mehrheit, die leicht beeinflussbar ist.

Das Beispiel Deutsche Lufthansa zeigt, dass eine intelligente Privatisierung für die Allgemeinheit und den Bürger ein Positivsummenspiel bedeuten kann. Die Lufthansa ist seit mehr als zehn Jahren vollständig privatisiert und gehört heute zu den drei erfolgreichsten Fluggesellschaften weltweit. Der Erfolg betrifft Umsatz, Gewinn und (!) Mitarbeiter. Die Lufthansa beschäftigt heute rund 35 000 mehr Menschen als im Jahr der Privatisierung.

Die Bürger sind genau dann von den Vorteilen überzeugt, wenn sie öffentlich und widerspruchsfrei erklärt werden. Das von allen Parteien verfolgte klimapolitische Ziel der CO2-Reduzierung wird verkehrspolitisch nur durch eine stärkere Nutzung der Bahn zu erreichen sein. Die Mehrheit der Deutschen, vor allem aus den Großstädten, ist bereit, aus Gründen des Klimaschutzes auf die Bahn umzusteigen. Diesen Willen gilt es politisch aufzugreifen. Nötig ist ein fairer Wettbewerb zwischen den Verkehrsträgern. Während Auto und Flugverkehr vom Steuerzahler subventioniert werden, zahlt der Bahnkunde allein den Betrieb des Netzes.

Die Bahn ist inzwischen längst ein führendes internationales und globalisierungsfähiges Unternehmen. Weder Umweltschutz noch Wirtschaft machen an der Grenze halt. Die Bahnprivatisierung ist ein konzeptionell gelungenes Beispiel für einen Mix aus staatlicher Daseinsvorsorge und unternehmerischer Erfüllung. Die Politik hat es jetzt in der Hand, die Bahn auch im eigenen Land zum Verkehrsträger Nummer eins zu machen. Wie das Unternehmen dieses Ziel umsetzt, sollte es selbst entscheiden können.

Der weltweite Film „Der große Ausverkauf“ hat übrigens keinen Fall aus Deutschland aufgegriffen. Diesen gibt es bislang auch nicht. Es gibt allerdings die ständige Angst der Bürger vor den Folgen von Globalisierung und Wettbewerb. Diese Angst nutzt der Film aus. Statt Unsummen für Werbung und PR auszugeben, sollten die Unternehmen den direkten Dialog zur Öffentlichkeit suchen. Auch in den Kinos. Auf in den Kampf!

Der Autor leitet den Think-Tank Berlinpolis.

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