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POSITIONEN: Helfen trotz Stillstand

Das politische Patt darf nicht zu Lasten der Zivilisten gehen: Die syrische Bevölkerung braucht dringend humanitäre Hilfe.

In den vergangenen zwei Monaten hat sich die Krise in Syrien zugespitzt. Mittwoch war der bisher blutigste Tag mit 343 gemeldeten Toten. Seit dem Beginn des Konflikts mussten über zehn Prozent der Bevölkerung ihre Häuser verlassen. Diese Menschen erleben jeden Tag schreckliches Leid, während sie versuchen, vor der Gewalt zu fliehen. Sie haben keine Unterkünfte und keinen Zugang zu Wasser- und Sanitärversorgung. Darüber hinaus sind die Preise für Nahrungsmittel rapide gestiegen. Medizinische Einrichtungen funktionieren nicht mehr und viele Zivilisten, die in den Konflikt hineingezogen worden sind, sterben wegen mangelnder Versorgung. Hilfsorganisationen betonen, dass die humanitäre Nothilfe nicht ausreicht: Der syrische Rote Halbmond hat weder die Kapazität noch die umfangreiche Logistik, um den Bedürfnissen der Vertriebenen in Syrien gerecht zu werden.

Während die Gewalt in Syrien weiter zunimmt, kann sich die internationale Gemeinschaft seit über 18 Monaten nicht auf ein Vorgehen einigen. Regierungen beschuldigen einander, dass ihr Handeln allein danach ausrichten, ob sie Unterstützer oder Gegner des Regime sind. Dies hat sowohl zu einem politischen Stillstand als auch zu einer zunehmenden Militarisierung des Konflikts geführt. Die wahren Leidtragenden davon sind die syrischen Zivilisten. Das wichtigste Ziel ist es, die syrische Regierung dazu zu bewegen, ihre Angriffe im ganzen Land zu stoppen und ein Ende der Gewalt von allen Seiten durch einen dauerhaften Waffenstillstand zu erreichen. Wenn jedoch neutrale, humanitäre Organisationen aus Ost und West Zugang in Syrien hätten, könnten sie mit ihrer Expertise das Leid von Hunderten von Tausenden von Syrern deutlich lindern. Diese Organisationen könnten wichtige medizinische Notfallhilfe leisten, Lebensmittel verteilen, die Wasserversorgung wiederherstellen und sich um die besonders schutzbedürftigen Zivilisten kümmern. Zusätzlich könnten sie auch die Arbeit der lokalen syrischen zivilgesellschaftlichen Organisationen stärken, die in den letzten anderthalb Jahren entstanden sind und die durch ihre Anbindung an die lokale Bevölkerung eine wichtige humanitäre Rolle spielen.

Länder wie Indonesien und Brasilien könnten ihren Einfluss nutzen, um eine Brücke zwischen den festgefahrenen Positionen zu schlagen. Sie sollten die syrische Regierung dazu bewegen, die Einschränkungen für unabhängige humanitäre Organisationen aufzuheben, damit diese ihre Expertise zur Bewältigung der sich verschlechternden Lage nutzen können. Eine solche Entscheidung würde signalisieren, dass die internationale Gemeinschaft nicht länger bereit ist, das Wohlergehen von Hunderttausenden von Vertriebenen und Bedürftigen vom politischen Stillstand abhängig zu machen.

Anfang September hat sich der neue Leiter des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz, Peter Maurer, mit Präsident Assad getroffen. Nach ihren Gesprächen hat die syrische Regierung deutlich gemacht, dass sie „mit der Arbeit des Roten Kreuzes in Syrien einverstanden ist, solange diese in unabhängiger und neutraler Weise ausgeführt wird“. Doch Anfragen von unabhängigen, humanitären Organisationen auf Einlass nach Syrien wurden blockiert und durch bürokratische Anforderungen hinausgezögert.

Auf der Generalversammlung der Vereinten Nationen haben viele führende Politiker aus aller Welt die Situation in Syrien verurteilt – während sich gleichzeitig die Lage vor Ort weiter verschlechtert hat. Es ist an der Zeit, den Menschen in Syrien zu zeigen, dass die internationale Gemeinschaft nicht einfach nur ein Zuschauer ihrer Tragödie ist. Länder, die Einfluss auf Syrien haben, sollten sich für den ungehinderten, sicheren und nachhaltigen Zugang humanitärer Hilfsorganisationen nach Syrien einsetzen – nicht aufgrund von politischem Kalkül, sondern weil sie die moralische Verantwortung dafür haben.

Der Autor ist der Präsident

des Humanitären Forums und Gründer von „Islamic Relief“.

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