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POSITIONEN: Hoch mit den Löhnen!

Der Aufschwung ist beendet, die wirtschaftliche Talfahrt schon länger absehbar. Der Staat sollte das Geld den Reichen nehmen und in die Zukunft investieren.

Selbst Finanzminister Peer Steinbrück hat es bemerkt: Die Wirtschaftskonjunktur dreht in einen Abschwung. Die Regierung versucht die Schuld über den großen Teich zu schieben – auf die von den USA ausgehende Finanzmarktkrise. So bedrohlich diese für die deutsche Realwirtschaft in der Zukunft noch werden kann, so wenig ist sie für den Abschwung verantwortlich. Die Exporte laufen für die deutschen Unternehmer mit plus sieben Prozent im ersten Halbjahr nach wie vor gut. Auch eine Kreditklemme, also eine deutliche Verschlechterung der Kreditversorgung ist vorerst nicht feststellbar.

Die wirtschaftliche Talfahrt ist schon länger absehbar. Der Aufschwung der letzten Jahre war vor allem durch wachsende Investitionen angetrieben. Im zweiten Quartal 2008 waren sie zum ersten Mal rückläufig. Deshalb ist auch der Aufschwung beendet. Dies hätte nur mit einem Anstieg der konsumtiven Binnennachfrage verhindert oder zumindest abgeschwächt werden können. Immer wieder wurde er prognostiziert, doch er fiel aus.

Im ersten Halbjahr 2008 stiegen die Einkommen der Unternehmer um acht Prozent. Das Plus der Beschäftigten betrug dagegen im Durchschnitt nur zwei Prozent. Schon in „normalen“ Zeiten ist das lediglich ein Ausgleich für die Inflation, angesichts der aktuellen Preisentwicklung von über drei Prozent ein herber Verlust. Ursache ist die Lohndrückerei in viel zu vielen Bereichen. Demgegenüber wurden im öffentlichen Dienst und in der Stahlindustrie mehr als fünf Prozent durchgesetzt.

Die Binnennachfrage litt zusätzlich an der Sparpolitik der öffentlichen Haushalte. Die Regierung hat diesen Kurs jüngst bekräftigt – eine konservativere Herangehensweise als die der Bush-Regierung, die längst auf konsumstützende Maßnahmen umschwenkte. Die US-Konjunktur ist bislang trotz Finanzmarktkrise erstaunlich stabil.

Wir brauchen vor allem einen stärkeren Anstieg der Einkommen. Der Niedriglohnsektor muss trockengelegt werden. Entscheidend ist die Einführung des gesetzlichen Mindestlohnes von 7,50 Euro, der in schnellen Schritten auf neun Euro steigt. Über 100 000 Arbeitsplätze können geschaffen werden, da der Mindestlohn die Binnennachfrage stärkt. Darüber hinaus müssen Minijobs, Leiharbeit und Befristungen zurückgedrängt werden. Mit dem Stopp des freien Falls der Löhne am unteren Ende werden die Lohnstrukturen nicht weiter wegrutschen.

Und es muss Schluss sein mit der Entstaatlichung. Steinbrück brüstet sich damit, dass die Staatsquote weiter fällt und mittlerweile unter der von Großbritannien liegt. Die öffentliche Hand muss wieder eine bessere Versorgung der Bevölkerung sicherstellen. Mit einem Zukunftsinvestitionsprogramm in der Größenordnung von 40 Milliarden Euro!

In Sonntagsreden wollen alle Politiker bessere Erziehung und Bildung. Unter der Woche verstecken sie sich hinter selbst geschaffenen Sparzwängen. Wir brauchen 20 Milliarden Euro mehr für Kindertagesstätten, Schulen und Hochschulen. Weitere 20 Milliarden Euro sind notwendig für Investitionen in die Infrastruktur, damit Gebäude, Brücken, Straßen, das Abwassersystem und vieles andere wieder in Ordnung kommen.

Dieses Zukunftsinvestitionsprogramm ist mehr als eine kurzfristige Konjunkturspritze – es ist ein wichtiger Beitrag um die wirtschaftliche Entwicklung zu stützen. Wachstumsimpulse von drei Prozent und eine Million Arbeitsplätze sind möglich. Gerade weil die Finanzmarktkrise droht, den konjunkturellen Abschwung in Deutschland massiv zu verstärken, muss jetzt gegengesteuert werden. Durch Stärkung der Binnennachfrage – alles andere ist unverantwortlich.

Das Zukunftsinvestitionsprogramm soll finanziert werden durch die stärkere Besteuerung von hohen Einkommen und Vermögen, unter anderem durch die Wiedereinführung der Vermögensteuer. Verdi hat hierzu ein Steuerkonzept mit Mehreinnahmen von insgesamt 60 Milliarden Euro. Was ist wichtiger für unser Land: Bessere Erziehung, mehr Bildung für unsere Kinder oder weiterhin die Privilegierung von Reichen und Vermögenden?

Der Autor ist Chefvolkswirt von Verdi.

Michael Schlecht

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