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POSITIONEN: Selbstmord-Business

Assistierter Suizid ist eine Einladung zum Geschäftemachen. Die professionelle Unterstützung der Selbsttötung sei der einzige Ausweg aus unerträglichem Leid, so die Unternehmer.

Ein neues Geschäftsmodell macht Furore: Die geschäftsmäßige Suizidassistenz. Für eine humane Gesellschaft ein unerträglicher Gedanke! Die Begründung der Unternehmer, die professionelle Unterstützung der Selbsttötung sei der einzige Ausweg aus unerträglichem Leid, überzeugt nicht. Die moderne Medizin kann zwar den Tod nicht bezwingen, aber unerträgliche Leiden am Lebensende sind angesichts der heutigen Möglichkeiten der Palliativmedizin kein unabwendbares Schicksal mehr. Rechtlich ist seit langem geklärt, dass wirksame Schmerzmittel auch dann eingesetzt werden dürfen, wenn sie als unbeabsichtigte Nebenfolge eine Verkürzung der Lebensdauer des Patienten zur Folge haben.

Die freiverantwortliche Selbsttötung und auch die Unterstützung eines freiverantwortlichen Suizids ist in Deutschland – anders als in anderen Ländern – nicht strafbar. Das ist auch richtig so. Dennoch werden mitfühlende Menschen jeden von einer Selbsttötung abzuhalten versuchen. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Staat die (versuchte) Selbsttötung nicht strafrechtlich verbietet.

Das strafrechtliche Tötungstabu bezieht sich daher nur auf die Tötung eines anderen Menschen. Erst wo sich ein Dritter aktiv an der Tötung eines Menschen beteiligt, beginnt der strafrechtlich verbotene Bereich (aktive Sterbehilfe), selbst wenn dies das ausdrückliche und ernstliche Verlangen des Betroffenen ist (Tötung auf Verlangen).

Bislang ist die Abgrenzung zwischen strafbarer Tötung auf Verlangen und strafloser Teilnahme an einer Selbsttötung zwar nicht immer einfach, im Ergebnis jedoch immer möglich gewesen. Das liegt auch daran, dass Unterstützungen von Suizidvorhaben in Deutschland bisher nicht im Rahmen einer organisierten Dienstleistung erfolgen, sondern von Menschen mit emotionaler Bindung an Suizidenten vorgenommen werden und sich regelmäßig auf Fälle beziehen, in denen der Sterbewillige bereits irreversibel und über einen langen Zeitraum hinweg schwer erkrankt ist. In jüngster Zeit beginnen sich jedoch auch bei uns Organisationen zu etablieren, deren Anliegen es ist, einer Vielzahl von Menschen eine effiziente Möglichkeit für einen Suizid zu verschaffen. Besonders problematisch ist dabei, wenn diese Organisationen auch solchen Menschen eine scheinbar schmerzlose Selbsttötungsmöglichkeit anbieten, die nicht hoffnungslos an unerträglichen und unheilbaren Krankheiten leiden. Anstatt den Leidenden Hilfe im Leben und im Sterben anzubieten, wird das Beenden des Lebens zum Geschäft gemacht.

Dem tritt jetzt ein Gesetzesantrag der Länder Saarland, Thüringen und Hessen entgegen, indem er einen neuen Straftatbestand der „geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung“ schaffen will. Der individuelle Gedankenaustausch oder die Veröffentlichung von Informationen über Suizidmöglichkeiten fallen nicht darunter. Die Strafbarkeit aber zusätzlich von einer „Gewinnabsicht“ abhängig zu machen, ginge zu weit. Wer über Unkostenpauschalen und Vermächtnisse gehört hat, die für den Tod in einer Absteige oder auf dem Parkplatz zu zahlen sind, der wird den Eindruck gewinnen, dass hier ein Geschäft gemacht wird, auch wenn sich Gewinnabsicht nicht nachweisen lässt.

Der bei alten Menschen häufig zu hörende Wunsch, niemandem zur Last fallen zu wollen, muss uns alle hellhörig machen. Es darf nicht ein schleichender gesellschaftlicher Druck auf ein zeitgerechtes Ableben von eigener Hand entstehen. Die hartherzige Feststellung, dass der letzte Lebensabschnitt des Menschen medizinisch gesehen der teuerste ist, offenbart die ethische Blindheit rein ökonomischen Denkens. Ob sich aus dem Tod verzweifelter Menschen ein Geschäft machen lässt und ob geschäftsmäßige Selbsttötung sich als Alternative zur mitfühlenden Pflege und Zuwendung in Krankenhäusern und Hospizen etabliert, wird zum Gradmesser der Mitmenschlichkeit in unserer Gesellschaft werden.

Der Autor ist stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag.

Wolfgang Bosbach

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