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Meinung: Protest an der Grenze

Der Globalisierungskritik fehlt die Struktur

Für einen Teil der Globalisierungskritiker ist der G-8-Gipfel in Evian wie das Spiel ohne Grenzen: Während die mächtigsten Länderchefs der Welt gut abgeschirmt über den Kampf gegen Aids und den Abbau von Handelsschranken diskutierten, erstürmten die Kritiker im Genfer See schwimmende Plastikinseln der G 8 und eroberten symbolisch die Welt zurück. Der andere Teil der Globalisierungskritiker prügelte sich derweil mit Polizisten, plünderte Juweliergeschäfte und zertrümmerte Telefonzellen.

Soll das alles sein, was von der großen, weltweite Wellen schlagenden Anti-Globalisierungsbewegung übrig geblieben ist?

Mehr als hunderttausend Teilnehmer würden den wichtigsten Wirtschaftsgipfel der Welt im französischen Evian mit Protestaktionen überziehen, hatte die Anti-Globalisierungs-Organisation Attac angekündigt. Wie vor zwei Jahren beim G-8-Gipfel in Genua, wo 150 000 Protestierende aufmarschierten. Sie ließen die Staats- und Regierungschefs wie Getriebene aussehen, weckten die Hoffnung auf eine andere, eine gerechtere Welt. Nach Genua sah es so aus, als könnten die Globalisierungsgegner zu einer ernst zu nehmenden politischen Bewegung werden.

Doch Evian ist anders. Diesmal blieb der ganz große Protest aus. Statt der erwarteten 100 000 kamen nur 50 000 Globalisierungskritiker. In Erinnerung bleiben werden sie nicht wegen ihrer revolutionären Thesen für eine bessere Welt, sondern wegen einiger hundert Randalierer. Der Anti-Globalisierungshype, der vor zwei Jahren Kultcharakter annahm, hat seinen Höhepunkt überschritten, die Hoffnung auf eine neue, weltweite Linke sich vorerst zerschlagen.

Doch die Bewegung leidet inzwischen darunter, dass sie kein Konzept besitzt: Unter dem Dach des Protestes tummeln sich Anarchisten und Wissenschaftler, Ökonomen und Öko-Freaks. Was sie verbindet, ist die Opposition – gegen so unterschiedliche Dinge wie den räuberischen Kapitalismus und die Zerstörung des Regenwaldes, den Marken-Fetischismus und die Ausbeutung der Dritten Welt. Ihre Unorganisiertheit, die am Anfang den Charme der globalisierungskritischen Bewegung ausmachte und in Deutschland auch viele vom Parteigeklüngel Frustrierte in ihre Arme trieb, droht ihr jetzt zum Verhängnis zu werden.

Die Bewegung ist zu groß und zu diffus geworden. Allein Attac hat in den vergangenen Jahren Zehntausende neuer Mitglieder gesammelt. Sie ist ein Sammelbecken für die Unzufriedenen geworden, die sich engagieren aber auch Spaß haben wollen. Ein bisschen Zeltlager, ein bisschen Spiel ohne Grenzen, ein bisschen Protest – das war die Mischung, die vielen behagte. Jetzt müssen sie sehen, dass der Reiz des Dauerprotestes begrenzt ist. Wenn die Globalisierungsbewegung es nicht schafft, klare Ziele und Alternativen zu formulieren, droht sie an ihrem schnellen Erfolg zu ersticken.

Maren Peters

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