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Meinung: Rabatz um Rabatt: Verbraucher ohne Ministerin

So viel Freude am Geld, so viel Kauflust war selten wie in den Tagen nach Einführung des Euro. Doch das deutsche Gesetz hat keinen Humor und verbietet allzu viel Rabatt, etwa bei C & A.

So viel Freude am Geld, so viel Kauflust war selten wie in den Tagen nach Einführung des Euro. Doch das deutsche Gesetz hat keinen Humor und verbietet allzu viel Rabatt, etwa bei C & A. Die Leute kriegten ihn trotzdem.

Die erste Woche des neuen Jahres war, im guten wie im schlechten, eine Woche des Verbrauchers. Nur, wo war die Verbraucherministerin? Renate Künasts Beitrag zur Vertrauensbildung und Rabattfreiheit beschränkt sich darauf, im Internet die Verbraucherzentralen als Anlaufstellen anzupreisen. Künast hat den Zeitpunkt erstmal verpasst, Anspruch auf mehr als Agrarpolitik und Tierschutz zu erheben. Gerade in dieser Woche der Verbraucher hätte sie sich schützend vor sie stellen können. Sie hat es nicht getan.

Kurz nach ihrem Amtsantritt hatte die Ministerin noch Pläne. Sie wollte die rechtliche Stellung der Verbraucher stärken, sie bastelte an einer Philosophie des Verbrauchens. Daraus wurde wenig. Stattdessen: Fleisch, Fleisch, Fleisch. In den ersten Monaten war Künast mit dem BSE-Krisenmanagement ausgelastet. Nachdem sie und die Tierseuchen aus den Schlagzeilen verschwunden waren, machte sich die Ministerin daran, die Agrarwende Wirklichkeit werden zu lassen. Von umfassendem Verbraucherschutz war nur noch selten die Rede.

Den nahm nun der Handel in die Hand. Der Discounter Aldi begann zur Euro-Einführung einen neuen Preiskampf. Über sein gesamtes Sortiment senkte er die Preise um rund zwei Prozent. Selbst C & A brachte sich wieder in Erinnerung. Nachdem alle Versuche, der hippen Billigkonkurrenz H & M Paroli zu bieten, gescheitert waren, ist der Konzern wieder ganz bei sich. Zwar hat C & A inzwischen eine Unternehmensethik, einen Umweltbericht und Qualitätsargumente. Doch die Kunden blieben aus. Also besann sich das Unternehmen auf das, was es schon immer konnte: billig. Zur Euro-Einführung sollten Kartenzahler 20 Prozent Rabatt bekommen. Doch das Landgericht Düsseldorf kassierte den Rabatt gleich zwei Mal. C & A wollte daraufhin - ganz Anwalt der Verbraucher - nicht klein beigeben und weitete den Rabatt auf Barzahler aus. Auch das wurde verboten. Doch C & A tut es trotzdem. Ziviler Ungehorsam? Das müsste der grünen Ministerin doch gefallen!

Brauchen die Verbraucher also keine Verbraucherministerin, weil ihnen der Handel Anwalt genug ist? Vielleicht doch nicht. Denn der Handel sieht im Verbraucher nur den Schnäppchenjäger. Dass er neben kleinen Preisen auch noch hohe Ansprüche hat, an die Qualität der Produkte, an die Erzeugung - lieber ohne Kinderarbeit und Umweltzerstörung -, daran erinnert sich der Handel immer nur dann, wenn der Verbraucher seine einzige Waffe einsetzt: den Kaufboykott. Künast hatte wohl die Hoffnung, dass die BSE-Krise den Verbraucher dauerhaft politisiert. Doch der hat keine Lust, ständig bewusste Kaufentscheidungen zu treffen. Er will gern auch mal unvernünftige, überflüssige oder sogar komplett wertlose Produkte kaufen. Eine politische Bewegung wird daraus nicht. Trotzdem wünscht er sich Schutz und Aufmerksamkeit. Das wäre die Chance für Renate Künast, doch noch Verbraucherschutzministerin zu werden, und nicht Fleischministerin zu bleiben.

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