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Reformationsjubiläum 2017: Achtet das Wort

Von Luther zu Käßmann: Dass Deutschland heute nördlicher, östlicher und protestantischer ist denn je, hat nicht zuletzt mit Luthers Pastoren zu tun, Frauen und Männern.

These 92. Darum weg mit allen jenen Propheten, die den Christen predigen: „Friede, Friede“, und ist doch kein Friede.

Das ist die Stärke des Protestantismus, oder kann es sein: aufgeklärt und abgeklärt die Dinge zu sehen, wie sie sind. Dem Volk aufs Maul schauen, ihm nicht nach dem Mund reden, darum geht es. Und dann veränderungsbereit zu sein, nicht im ökonomistischen Sinn, sondern im gesellschaftlichen: Wo kann ich mich verbessern, damit es allen hilft? Wenn es dann immer noch nicht so ist, dass die Menschen die Notwendigkeit zur Veränderung ihrer Standpunkte einsehen, oder wenigstens zu ihrer Überprüfung bereit sind, ja dann, in Gottes Namen, werden sie mit Thesen konfrontiert, deren Beantwortung sie nicht auf Dauer ausweichen können. Selbst auf die Gefahr hin, dass es länger dauert. Diesen Atem müssen sie haben.

Wer ihn haben soll? Millionen Gläubige haben ihn seit dem 31. Oktober 1517, als Martin Luther Briefe an seine Vorgesetzten abschickte, in denen er die Praxis des Ablasshandels für die Sünden anprangerte und die Behebung der Missstände forderte. Den Briefen legte er 95 Thesen bei, die als Grundlage für eine Disputation dienen sollten. Ob er die Thesen an die Kirche nagelte, ist nicht gesichert. Aber sicher ist, dass sie einem Hammer gleich die damalige Kirche trafen. Und Luther mit allem, was er überdies noch predigte, bis heute wirkt.

Vielleicht gegenwärtig nicht genug. Weshalb es gut ist, dass der Erinnerung an ihn aufgeholfen wird mit einer wortgewaltigen Predigerin, Margot Käßmann, die seine Botschaft bis ins Lutherjahr 2017 wieder verbreiten soll. Eine Botschaft, die sowohl christlich-reformatorisch als auch dadurch eminent politisch ist. Politisch ist sie, weil sie Menschen, die Luther – richtig verstanden – im aufrührerischen Handeln folgen, helfen kann, Revolutionen friedlich zu gestalten. Dass Deutschland heute nördlicher, östlicher und protestantischer ist denn je, hat nicht zuletzt mit Luthers Pastoren zu tun, Frauen und Männern. Sich einzumischen ins Los einer Gesellschaft ist ihnen leichter gefallen, weil sie einen inneren Kompass hatten. Und wer den hat, kann Orientierung geben, auch denen, die nicht ans Überirdische glauben. Die nur „klaren Vernunftgründen“ folgen und nichts gegen das Gewissen tun wollen, weil das „weder sicher noch heilsam“ ist. So gesehen bekommt ein Schuss Protestantismus dieser neuen deutschen demokratischen Republik wohl.

These 93. Wohl möge es gehen allen den Propheten, die den Christen predigen: „Kreuz, Kreuz“, und ist doch kein Kreuz.

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