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Meinung: Reisende soll man nicht aufhalten

Die Ferienkonzerne wollen uns umerziehen – das müssen wir uns nicht gefallen lassen

Der Familienurlaub auf Mallorca – ein kleiner Luxus? Die Zeiten sind lange vorbei. Und ebenso die Epoche, wo man sich bereits im Winter für den Sommerurlaub entschied und darauf sparte. Reisen werden verramscht, für Billigstpreise über das Internet verschleudert, die Reisebüros überbieten sich mit Sonderangeboten. Tui-Chef Michael Frenzel rief vor ein paar Monaten sogar die „Aldisierung“ des Reisemarkts aus. Zum Winter will die Tui die Preise um elf Prozent senken, Hauptkonkurrrent Thomas Cook und alle anderen großen Veranstalter tun das auch. Sie fürchten sich vor leeren Flugzeugen und Ferienbetten, die Reisen müssen verkauft werden. Goldene Zeiten für Urlauber?

Dann kam die Kehrtwende. Nicht Last-Minute-Schnäppchen sollen die Kunden locken, sondern Rabatte für Frühbucher, kündigten Tui und Thomas Cook kürzlich an. Sie wollen die Kapazitäten zurückschrauben, damit die Preise wieder steigen. Müssen die Kunden das hinnehmen? Sie haben es selbst in der Hand – je nachdem, welche Angebote sie annehmen und welche nicht.

Sie haben sich an die billigen Reisepreise gewöhnt, zu denen der Wettbewerb die Branche zwang, als nach den Anschlägen vom 11. September 2001 die Reiseangst um sich griff. Seitdem sind 25 Prozent des Pauschalreisemarkts weggebrochen, viele Kapazitäten waren aber schon eingeplant. Die Veranstalter wollten wenigstens etwas Geld für die reservierten Hotelbetten und Flüge erzielen. Und boten Last-Minute-Schnäppchen an. Wegen der Angst vor dem Terror, vor allem aber wegen der wirtschaftlichen Unsicherheit entschieden sich Kunden immer später für eine Reise. Und profitierten noch dabei: Wer spät bucht, kann günstiger reisen. Das hat sich herumgesprochen, Last-Minute-Anbietern geht es so gut wie nie.

Für die Großveranstalter gilt das nicht. Sie möchten nach zwei Jahren Billig-Strategie wieder langfristig planen. Und mehr Geld verdienen – was bei einer Woche Mallorca für 300 Euro schwierig ist. Also starteten sie pünktlich zur Ankündigung des Winterprogramms die neue Offensive. Frühbucherrabatt statt Last-Minute. Das klingt so, als wollten sie die Kunden umerziehen. Wenn die sich früher entscheiden, kann man besser kalkulieren; und vermeiden, dass halb leere Flugzeuge auf die Balearen fliegen.

Aber sollen wir uns gängeln lassen?

Die Bürger müssen sich nicht nach den Sorgen und Strategien der Anbieter richten. Sie werden fragen, was ihnen nützt. Und es gibt ja nicht den Kunden, sondern einzelne Gruppen mit verschiedenen Interessen. Für Familien mit Kindern sind Frühbucherrabatte besser als Last-Minute. Sie sind an die Schulferien gebunden und wollen wohl kaum ins Blaue losziehen – mit dem Risiko, nichts Kindgerechtes zu finden. Wer weniger gebunden ist, den werden die neuen Rabatte vielleicht nicht dazu bringen, Monate im Voraus zu planen. Last-Minute bleibt für ihn attraktiver – und billiger.

Es könnte also gut sein, dass die Anbieter mit der Strategiewende keinen Erfolg haben werden. Wahrscheinlich ist, dass das Angebot differenzierter wird – was gut wäre für Vorausplaner und Spätentschlossene.

Denn das hat ja auch schon die Bahn lernen müssen. Es war nur eine Minderheit, die die Frühbucherrabatte annahm. Vielen Kunden war es wichtiger, sich spontan zu entscheiden. Die Bahn musste ihr Preissystem nachbessern. Der Versuch, die Kunden umzuerziehen, hat nicht funktioniert. Anders bei Billigflug-Angeboten. Dort ist die finanzielle Belohnung für das Planen extrem hoch.

Was heißt das für den nächsten Urlaub? Die Reiseveranstalter lassen sich mit der neuen Strategie auf eine Wette ein. Sie wollen uns umerziehen, doch das müssen wir uns nicht gefallen lassen. Auch das Konzept, Kontingente zu reduzieren, damit die Preise steigen, muss nicht aufgehen. Wer sagt denn, dass nicht ein Billigkonkurrent die frei werdenden Kontingente aufkauft und noch günstiger verramscht? Der Markt ist da. Nicht alle, aber viele Kunden haben sich an das billige spontane Reisen gewöhnt.

Flora Wisdorff

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