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Meinung: Rentenreform: Der Nachbesserungsminister

Für Sozialminister Walter Riester (SPD) war das keine gute Woche. Dass seine geplante Rentenreform ein schwieriges Projekt ist und nicht überall Beifall finden kann, war jedem klar.

Für Sozialminister Walter Riester (SPD) war das keine gute Woche. Dass seine geplante Rentenreform ein schwieriges Projekt ist und nicht überall Beifall finden kann, war jedem klar. Doch was die drei Tage öffentlicher Anhörung von Verbandsvertretern und Experten vor dem Bundestag in dieser Woche zu Tage brachte, war schon schlimm für den Minister.

Manches wichtige Element seines Konzeptes fiel vor den kritischen Augen der Experten durch. Schlimmer noch: Während Walter Riesters Ministerium noch unverdrossen die Parole ausgibt, der umstrittene Kürzungsfaktor im Gesetzentwurf, der vernebelnd Ausgleichsfaktor genannt wird, sei besser als jede andere Lösung, arbeiten die Sozialpolitiker der SPD-Fraktion schon eifrig an Alternativen. Sicher, während der Beratungen des Gesetzentwurfs ist das Parlament Herr des Verfahrens. Aber muss der Minister deswegen sprachlos von Ferne zuschauen, wenn die eigenen Genossen seinen - wievielten? - Gesetzentwurf in entscheidenden Punkten fleddern?

Am kommenden Dienstag, wenn sich die zuständige Arbeitsgruppe der SPD-Fraktion trifft, werden die Alternativen zu Riesters Ausgleichsfaktor wohl erste Konturen annehmen. Schließlich hält die rot-grüne Koalition nach wie vor daran fest, die Rentenreform bis Ende Januar im Eiltempo durch das Parlament zu bringen. Es ist nicht das erste Mal, dass Walter Riester seine Positionen, wie man das heute nennt, "nachbessert". Es ist auch nicht ehrenrührig, das zu tun. Öffentliche Anhörungen, wie sie jetzt zur Rentenreform stattfanden, sind schließlich dazu da, den Sachverstand der Fachleute für das Gesetzgebungsverfahren zu nutzen. Aber politisch wird der Minister durch solche Auftritte - in diesem Fall besser: Nichtauftritte - nicht unbedingt gestärkt.

Wie soll man es denn bewerten, wenn in Berlin die Spatzen die nächsten Änderungen von den Dächern pfeifen und Minister Riester so tut, als wenn nichts wäre? Dabei hat seine Arbeitsmethode durchaus Charme. Indem Riester immer wieder Vorschläge machte, Widerstände provozierte, Veränderungen vornahm, erneut Widerspruch kassierte und wieder nachbesserte, nähert er sich langsam einem möglichen Konsens über die Reform an. Fällt der Ausgleichsfaktor, so dass das Niveau der gesetzlichen Rente auch 2030 bei mindestens 67 Prozent bleibt, rückt der Schulterschluss mit den störrischen Gewerkschaften näher. Und auch die CDU/CSU-Fraktion würde sich darüber freuen.

Die große Schwäche der Strategie ist allerdings, dass Riester dabei keine richtig gute Figur macht. Vielleicht liegt das daran, dass der frühere IG Metall-Vize kein Vollblutpolitiker ist. Das mag ja menschlich sympathisch sein. Es führt aber dazu, dass die politischen Wirkungen von Entscheidungen offenkundig nicht immer ausreichend bedacht werden. Zum Beispiel seine Reise nach Australien in dieser Woche, wo Riester ein Sozialversicherungsabkommen unterzeichnete. Die Reise war schon lange geplant und wurde schon zwei Mal verschoben. Da wäre eine dritte Verschiebung natürlich nicht leicht gewesen. Aber der Minister konnte nicht reagieren, als daheim seine Reform auseinander genommen wurde. Da schütteln sogar manche seiner Kabinettskollegen nicht ohne Grund den Kopf.

Auch wenn das Parlament jetzt am Zuge ist, sollte Riester in dieser entscheidenden Phase mehr Initiative zeigen. Schließlich geht es um eines der wichtigsten Projekte der Regierung in dieser Wahlperiode. Nicht gegen seine Fraktion, sondern im Gleichklang mit ihr muss er sehen, welche Folgerungen die Koalition aus den Anhörungen ziehen will. Es gehört nun Mal zur Aufgabe von Politik, möglichst breite Mehrheiten für Entscheidungen zu finden.

Doch Riester hatte bereits Probleme, die eigene Fraktion einzubinden und so für seine Pläne einzunehmen, dass die Abgeordneten sie offensiv, womöglich gar begeistert öffentlich vertreten. Die Zustimmung vieler Abgeordneter basiert eher auf der Einsicht in die Notwendigkeit, die man auch als Abgeordneter der Regierungsmehrheit bisweilen an den Tag legen muss. Am Freitag kehrt der Minister von der Australienreise zurück. Der Druck, der ihn in Berlin erwartet, ist größer geworden.

Carsten Germis

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