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Meinung: Retten, Runde zwei

Zum ersten Mal seit dem Mauerfall nimmt Berlin mehr ein, als es ausgibt. Und nun?

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Ab und zu muss man einen Strich ziehen – und bilanzieren. Das macht der Tagesspiegel jetzt mit einer neuen Serie, die den herausfordernden Titel trägt: Wie retten wir Berlin? Das hatten wir doch schon mal, werden Leser mit gutem Gedächtnis sagen. Ja, vor genau drei Jahren haben wir dieselbe Frage gestellt und dem Finanzsenator Thilo Sarrazin Gelegenheit gegeben, seine provokante Sparpolitik zur Diskussion zu stellen.

Das Echo war gewaltig. Nervöse Senatskollegen, betroffene Bürger und wütende Lobbys meldeten sich zu Wort. Der Finanzsenator genoss diesen öffentlichen Streit, weil er nun mal streitlustig ist. Doch er beließ es nicht bei Worten, sondern folgte Erich Kästner: Es gibt nichts Gutes, außer man tut es. Der Landeshaushalt wurde, soweit dies in drei Jahren möglich ist, konsolidiert. Die linke Mehrheit, die den Berliner Senat trägt, machte mit, obwohl die Genossen der SPD und der Linkspartei deutlich weniger Spaß an der Sparpolitik hatten als Sarrazin.

Jetzt können wir auch ein kleines Betriebsgeheimnis verraten: Als die Serie 2003 vorbereitet wurde, sollte sie zunächst „So retten wir Berlin“ heißen. Davon wurde schnell Abstand genommen, denn mit einem so überhöhten Anspruch landet man zwangsläufig auf der Nase. Endgültige, abschließende Erfolge sind auch mit einer radikalen Konsolidierungspolitik nicht zu erreichen. Das Resümee nach drei Jahren kann wohl nur heißen: Der Weg ist das Ziel.

Die erste Etappe dieses Weges ist einfach zu beschreiben: Berlin gibt 2007 für die laufenden Ausgaben zum ersten Mal seit Mauerfall nicht mehr aus als es einnimmt. Anschließend lassen sich sogar bescheidene Überschüsse erzielen, mit denen ein Teil der hohen Zinsen bezahlt werden kann. Leider nur ein Teil, denn der Schuldenberg der Hauptstadt sprengt mit 60 Milliarden Euro jede Vorstellungskraft.

Die zweite Etappe heißt Karlsruhe. Im Herbst 2006 wird das Bundesverfassungsgericht entscheiden, ob der Bund einen Teil der Schulden Berlins übernehmen muss. Aber selbst, wenn dieser Traum wahr werden sollte, wird der Senat die beinharte Sparpolitik der vergangenen Jahre ohne Abstriche fortsetzen müssen, um die Stadt nicht in neue Verschuldungsabenteuer zu stürzen. Nach der Abgeordnetenhauswahl im September wird es also neue Giftlisten und böse Spardiskussionen geben. Unabhängig davon, wer Berlin regiert.

Das ist bitter, aber die einzige Möglichkeit, um politischen Handlungsspielraum zu behalten. Im bevorstehenden Wahlkampf werden alle Parteien versprechen, Bildung und Wissenschaft, Kultur und moderne Wirtschaftsbranchen besonders fördern zu wollen. Aber mit welchem Geld? Zulasten welcher anderen Bereiche des öffentlichen und privaten Lebens? Entlang dieser Fragen sollten wir alle munter weiterdiskutieren.

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