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Meinung: Schafft Israelkritik Frieden?

„Zeuge der Anklage“ vom 1. Februar In der Diskussion zu der Liste der schlimmsten antisemitischen Äußerungen, die das Simon-Wiesenthal-Zentrum erstellt, geht es um die Abgrenzung von legitimer Kritik und Antisemitismus.

„Zeuge der Anklage“ vom 1. Februar

In der Diskussion zu der Liste der schlimmsten antisemitischen Äußerungen, die das Simon-Wiesenthal-Zentrum erstellt, geht es um die Abgrenzung von legitimer Kritik und Antisemitismus. Es wäre zu fragen, wie das Zentrum folgende Äußerungen bewertet: „In Israel gibt es derzeit erschreckende Elemente von Rassismus, die sich im Grunde nicht sonderlich von dem Rassismus unterscheiden, der viele unserer Vorfahren vernichtet hat.“ Und: „Erhebliche Teile des orthodoxen Judentums, vor allem jene, die mit israelischem Nationalismus verflochten sind,

stellen ein Teil der Bedrohung für den Weltfrieden dar.“

Mit solchen (beispielhaft genannten) Argumenten plädiert Avraham Burg, früher Berater von Shimon Peres, Vorsitzender der Jewish Agency und Sprecher der Knesset, in seinem Buch „Hitler besiegen“ (S. 229 und 245) für eine Änderung der israelischen Politik. Er versteht seine Kritik nicht als antisemitisch (S. 222: „Manche behaupten, nur ein Jude dürfe antisemitisch sein, weil er wisse warum. Ich bin besorgt, weil ich weiß, warum ...“). Man muss sie sicher im Zusammenhang der Botschaft seines Buches lesen, das von der tiefen Sorge um die Zukunft seines Heimatlandes geprägt ist, eine Sorge, die weltweit viele kritische Beobachter teilen. Vielleicht sollte es auch eine Liste prominenter Veröffentlichungen und Aktivitäten geben, die sich in herausragender Weise für eine friedliche Zukunft des Staates Israel einsetzen.

Wolfgang Dix, Berlin-Dahlem

Die Zukunft des Staates Israels kann nur durch seine eigene Bevölkerung bestimmt werden. Wer sich nur auf sehr kritische Positionen in Israel bezieht, nimmt nur einen Teil einer lebendigen israelischen Debatte über die Zukunft des Staates wahr. Dabei sind Aussagen von israelischen Gesellschaftskritikern, wie die erwähnten des ehemaligen Politikers Avraham Burg nichts Besonderes: Solche Kritik ist Ausdruck einer demokratischen Streitkultur, wie sie in der Region einzigartig ist. Dieser offene Diskurs bildet ein Markenzeichen Israels, der noch immer einzigen Demokratie im Nahen Osten. Zwar existieren auch in Israel – wie auch hierzulande – wirtschaftliche Probleme und Bildungsdiskrepanzen, Diskriminierung und Ungleichheiten. Jedoch beeindruckt die Vielfalt und das friedliche Zusammenleben höchst unterschiedlicher ethnischer und kultureller Gruppen in Israel. Wer über die israelische Gesellschaft redet und deren integrative Kraft übersieht, verkennt die vielschichtige Realität des Landes. Angehörige der arabischen Minderheit vertreten als hochrangige Diplomaten den Staat Israel und gehören dem obersten Gerichtshof an. Nach aktuellen Umfragen würden mehr Palästinenser, die in Ostjerusalem wohnen, eine israelische Staatsbürgerschaft einer palästinensischen vorziehen. Dies ändert zwar nichts daran, dass es für Israel, genauso wie für Deutschland oder die USA eine Herausforderung ist, die Stellung von Minderheiten immer weiter zu verbessern. In dieser Hinsicht sind in den zurückliegenden Jahrzehnten bereits erhebliche Fortschritte erzielt worden, im Falle Israels oftmals von der deutschen Öffentlichkeit unbeachtet. Nach wie vor mangelt es oftmals in Deutschland an einer Kenntnis über die komplexen Verhältnisse in der israelischen Gesellschaft. Oftmals bleibt das Bild Israels negativ. Wissenschaftler des Georg-Eckart-Institutes für Schulbuchforschung in Braunschweig haben vor kurzem vorläufige Ergebnisse einer Studie zum Israelbild in deutschen Schulbüchern präsentiert und dabei eine Vielzahl negativer Darstellungen Israels festgestellt. Dies zeigt sich aber nicht nur anhand von Schulbüchern. Aus Umfragen wissen wir, dass die Naziverbrechen verharmlosende Vergleiche zwischen der Politik des Staates Israel und des Nazi-Regimes verbreitet sind. Genauso die Behauptung, Israel stelle die größte Gefahr für den Weltfrieden dar. Solche Thesen leisten keinen Beitrag für Verständigung und Frieden in der Region, sondern schließen sich vielmehr lückenlos an alte antisemitische Ressentiments an. Diese Dämonisierungen haben nichts mit einer legitimen Israelkritik zu tun. Ein großer Beitrag für den Frieden in der Region wäre es vielmehr, sich gegen Propaganda und Hetze gegen Israel zu stellen und sich dabei gegen die Infragestellung der Existenz eines UN-Mitgliedsstaates zu wenden. Nach wie vor bedroht der Terrorismus, wie er von der Hamas im Gazastreifen und der iranischen gesteuerten Hizbollah ausgeht, die Sicherheit des Staates Israels. Israel braucht aus Deutschland Partnerschaft und das Verständnis für die schwierige Position, als einzige Demokratie in einer Region zu bestehen, in der Unterdrückung, Willkür, und autoritäre Regierungen an der Tagesordnung sind. Israel teilt mit Deutschland die gleichen Werte von Freiheit, Demokratie und Menschenrechten. Gerade der offene Diskurs in Israel zeigt, wie stark verankert diese Werte im Lande sind, und stellt einen der Gründe dafür dar, dass die engen Beziehungen zum Staat Israel einer der Grundpfeiler der deutschen Außenpolitik bleiben. Nur auf Basis dieser Gemeinsamkeiten zwischen Deutschland und Israel kann ein Beitrag zu einer friedlichen Zukunft

des Nahen Ostens geleistet werden.

— Deidre Berger, Direktorin AJC Berlin Ramer

Institute for German-Jewish Relations

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