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Meinung: Schneewittchen ohne Zwerge

Ein Imageproblem: Familien sind in Deutschland glücklicher, als die meisten glauben

Von Hans Monath

Gute Nacht, Deutschland! Deine Zukunft ist auch nicht mehr das, was sie einmal war. Wann immer öffentlich von Kindern und Familien die Rede ist, fallen unweigerlich Drohwörter wie Armutsrisiko, Karriereknick oder Freiheitsverzicht. Der Eindruck drängt sich auf: Es muss für die armen Betroffenen schon ein furchtbares Schicksal sein, durch die Geburt eines oder gar mehrerer Kinder in einen Abwärtsstrudel gerissen zu werden, aus dem einem niemand heraushilft! Um das Image von Familien in Deutschland steht es nicht gut.

Gleichzeitig malen Analytiker aus, was passiert, wenn in Deutschland weiterhin zu wenig Kinder geboren werden. Glaubt man den Prognosen, trotten wir bald über marode Spielplätze, wo Schaukeln im Wind baumeln, die keiner mehr braucht. Und wir spazieren durch Straßenzüge, in denen wenige, kranke Greise mit unsicheren Renten ihre Einsamkeit auf ganzen Etagen ausleben müssen.

Es ist paradox: Je stärker Kinder und Familien in Deutschland zum öffentlichen Thema werden, desto häufiger überlagert ein schriller Katastrophenton Berichte und Debatten. Manchmal gewinnt man fast den Eindruck, mit Kindern und Familien begönnen die eigentliche Probleme. Das Gegenteil ist richtig: Die Abwesenheit von Kindern und Familien schafft die Probleme. Die Menschen, die sich für Kinder entscheiden, durchleben die emotional am meisten aufwühlende, am meisten Glück bringende Zeit ihres Lebens, wie nun wieder eine Studie der Zeitschrift „Eltern“ bestätigt hat.

Dieses Versprechen entfaltet trotz aller Krisenbeschwörung eine starke Wirkung: Die Mehrheit der jungen Menschen in Deutschland will Kinder, nur sieht sie sich vor der Erfüllung des Wunsches einer Vielzahl von Hindernissen gegenüber. Die wirken höher, als sie tatsächlich sind. So stark erscheinen die Widerstände, dass Eltern sogar die eigene Finanzlage für schlechter halten, als sie ist, und den Staat für geiziger und kaltherziger, als er in Wirklichkeit ist.

Wer über Familie redet oder schreibt, bestimmt also schon über ihre Zukunft. Das gilt umso mehr, als immer mehr Menschen Kinder gar nicht mehr aus eigener Anschauung kennen, sondern ihr Bild vom Zusammenleben der Generationen durch Medien geprägt ist. Nach deren Gesetzen stehen bekanntlich Probleme im Mittelpunkt, nicht das Glück.

Wie aber kann dann Ermutigung zur persönlichen Entscheidung für Kinder funktionieren? Deutsche Elttern haben einen im Vergleich zu vielen anderen Ländern hohen Anspruch auf finanzielle Förderung. Dem entsprechen Ausgaben des Staates für Familien, die ebenfalls überdurchschnittlich hoch sind. Dennoch führt das nicht zu einer höheren Geburtenrate. Familienministerin Renate Schmidt (SPD), der jede Beschwörung von Untergangsstimmungen im Zusammenhang mit Kindern schon von ihrem Wesen her völlig fremd ist, hat deshalb eine Kopernikanische Wende eingeleitet. Die ständige Steigerung von Direktzahlungen ist nun nicht mehr oberstes Prinzip der Familienpolitik. Stattdessen setzt die Regierung auf einen Instrumentenmix, in dem einem Ausbau des vergleichsweise miesen Angebots an Kinderbetreuung in Deutschland ein hoher Stellenwert zukommt. Noch keine Lösung gibt es bislang für das schwierige Problem, wie die Überforderung junger Frauen in einer Lebensphase – der Wunsch nach guter Ausbildung, Karrierestart und Elternschaft konkurrieren oft miteinander – verhindert werden kann.

Wenn es stimmt, dass die Entscheidung für das Kind auch vom Image der Familie abhängt, hat die Gesellschaft eine höhere Verantwortung für eine Zukunft mit Kindern, als das vielen ihrer Vertreter lange bewusst war. Ministerin Schmidt zumindest hat die eigenen Möglichkeiten nie überschätzt, sondern früh Bündnispartner gesucht und gefunden. Es ist kein schlechtes Zeichen, wenn diese Allianz für Familie künftig häufiger von sich reden macht. Den abschreckenden Jammerton nämlich schlägt keiner ihrer Vertreter an.

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