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Meinung: Schritt für Schritt

Von Stephan-Andreas Casdorff

Noch ist nichts entschieden. Aber die Entscheidung naht, die sensibelste in der deutschen Nachkriegsgeschichte: Soll die Bundeswehr als Friedensarmee in den Nahen Osten? Das allgemeine Zögern weicht vorsichtigem Vorwärtstasten, und Kurt Beck, der SPD-Chef, geht voran. Er stimmt seine Partei, die sich selbst spätestens seit der Irakentscheidung als Antikriegspartei versteht, darauf ein, dass deutsche Soldaten „von See“ helfen könnten und der Bundesgrenzschutz zwischen dem Libanon und Syrien wacht. Das ist der Anfang – der Anfang einer höchst verantwortungsvoll, ja, auch skrupulös zu führenden Debatte darüber, wie weit bundesdeutsches Engagement reichen darf, kann, soll.

In Union wie SPD mehren sich die Stimmen, die eine Beteiligung an einer Friedenstruppe erwägen, gesetzt den Fall, es gibt das UN-Mandat. Nicht mit Kampftruppen, sondern im Bereich Transport, im Nachschub und mit Sanitätern. So lauten bisher die Überlegungen. Die Bereitschaft ist „im Prinzip“ erklärt, wie jetzt Altbundespräsident Richard von Weizsäcker gesagt hat. Auch er denkt, dass Deutsche helfen sollten, zu verhindern, dass Waffen für den Kampf der Hisbollah gegen Israel aus dem Iran über Syriens Grenze in den Libanon kommen. Die höchsten deutschen Generäle, die, die es fachlich wissen müssen, sagen, dass die Bundeswehr nicht überlastet würde, dass ein derartiger Einsatz zu schaffen ist. Die Generäle bis hinauf zum Generalinspekteur, dem obersten militärischen Ratgeber der Bundesregierung, sind dafür. Und sagen es offen. Was auch nicht alle Tage passiert.

Darüber, alles in allem, müssen Koalition und Opposition nachdenken. Sie müssen wirklich alles im Voraus bedenken, in ihren Fraktionen und Vorständen – und dann im Bundestag darüber reden. Eine Sondersitzung wäre angemessen. Aber noch viel wichtiger ist, dass sich jetzt jeder vor Augen führt, wie viel von der Entscheidung abhängt, für die Menschen in Nahost, für die Angehörigen der Bundeswehr und für das Bild der Bundesrepublik in aller Welt. 60 Jahre danach.

Europa wird sich in jedem Fall an der Friedenstruppe beteiligen. Wenn das Parlament der stärksten Macht in Europa, der Orientierungsmacht, sich über einen von Israel erbetenen und von den UN gewollten Einsatz zerstreiten würde; wenn der Bundestag Nein oder auch nur ganz knapp Ja sagen würde – der Schaden wäre unermesslich.

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