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Meinung: Schröders Ostreise: Weit ist der Weg nach Deutschland

Immer nur lächeln, immer vergnügt, nur nicht aus der Rolle fallen: Sommerzeit ist Reisezeit für Spitzenpolitiker, ob von SPD, CDU, FDP, selbst von der PDS. Die Aufmerksamkeit ist hoch, weil ein gut einjähriger Wahlkampf - bis Ende September 2002 - begonnen hat.

Immer nur lächeln, immer vergnügt, nur nicht aus der Rolle fallen: Sommerzeit ist Reisezeit für Spitzenpolitiker, ob von SPD, CDU, FDP, selbst von der PDS. Die Aufmerksamkeit ist hoch, weil ein gut einjähriger Wahlkampf - bis Ende September 2002 - begonnen hat. Und dabei gerät schon jetzt alles, jeder Fingerzeig, jede Handbewegung, ob ruhig oder hektisch, zur Demonstration: von Macht - oder von Schwäche.

Im Blick auf die nächsten größeren Wahlen lauten die Stationen Hamburg und Berlin, im Blick auf den Wähler und das weiter entfernte, große Ziel führt der Weg unsere Politiker zunächst nach Greifswald oder Hamm. Und was allen voran Gerhard Schröder, der Medien-Kanzler, kann, will Angela Merkel auch versuchen - die Menschen bearbeiten, sie berühren und viele, viele Hände schütteln, um Verbundenheit herzustellen. Geldgeschenke hat sie ja nicht zu bieten. So politisch sind die Routen der beiden Volksparteichefs: Gerhard Schröder bereist den Osten der Republik und stellt die Besuche offiziell unter das Motto "Die Chance der Osterweiterung". Dieses Wort gewinnt, auf seine Wahlkampfführung bezogen, gleich doppelten Sinn. Erstens will er augenfällig nachweisen, dass sein Fremdeln wirklich der Vergangenheit angehört. Und zweitens will er damit, logisch, sein Wählerstimmenreservoir in Ostdeutschland erweitern. Notfalls helfen die Cousinen.

Angela Merkel wiederum hat in Westdeutschland begonnen, in Hamm (wo übrigens der unglückselige Partei-Generalsekretär zu Hause ist). Aus dieser Ortswahl leitet sich ihr inoffizielles Motto ab: die Chance der Westerweiterung. Denn so wie Schröder zum Osten lange keine Beziehung hatte, fehlte sie umgekehrt Merkel zum Westen. Und immer noch, im Jahr elf der Einheit, ist ihr so manches an der westlichen Sozialisation fremd, die gerade ihre CDU tief geprägt hat. Sie muss also auch deshalb im Westen touren, um Verbundenheit nicht zuletzt zu den eigenen Leuten herzustellen.

Merkels Weg, in ganz Deutschland anzukommen, ist anstrengender als der von Schröder. Ihre Tour kann noch zur Tortur werden, denn die Herausforderung ist ungleich größer. Die CDU-Vorsitzende muss ihre Parteifreunde von sich überzeugen und Qualitäten beweisen, die über den Machtgewinn hinausgehen. Zusätzlich aber muss sie den Bürgern den Eindruck vermitteln, dass sie sowohl Herzen als auch Wahlen gewinnen kann. Die Gewissheit, dass sie beides schafft, ist bisher weder im einen noch im anderen Fall sehr weit verbreitet.

Die CDU-Chefin verhält sich entsprechend. Sie will erkennbar Führung nach außen dokumentieren und nach innen ebenso Gefolgschaft wie Kampfeswillen erreichen. So hat beispielsweise ihr Lob für Roland Kochs Sozialhilfe-Offensive inhaltliche Gründe, aber mehr noch taktische: Der hessische Ministerpräsident ist auch ein innerparteilicher Konkurrent, den sie in aller Öffentlichkeit einordnen muss. Hinter sich.

Ihre Haltung zum Mazedonien-Einsatz der Bundeswehr ist allerdings noch interessanter. Sie offenbart, dass die CDU-Vorsitzende aus Ostdeutschland eine Anleihe in der Politik der alten, der westdeutschen Bundesrepublik macht. Merkel geht vor, wie es vor Jahrzehnten Franz Josef Strauß geraten hat. In seiner Sonthofener Rede hatte der frühere CSU-Chef erklärt, wie die Union vielleicht aus der Opposition gewählt werde: wenn die Regierung den Karren richtig in den Dreck gefahren habe. Allein.

Eine Gewissheit, dass sie damit vorankommen wird, kann Merkel aber nicht haben; das zeigt der gegenläufige Trend in der Unionsfraktion. Und was vielleicht auch gedacht war als ein Fingerzeig an den politischen Strauß-Enkel Edmund Stoiber, verkehrt sich somit in der Wirkung. Alle schauen nach Bayern, wohin es nur den Kanzler, nicht Merkel, am Rande seiner Reise führt. Bei Schröder ist das leicht erklärlich, bei Merkel wird es so verständlich: Gemessen an Stoiber zeigen sich ihre Schwächen deutlicher als im Vergleich mit dem Kanzler. Den sie herausfordern will. Und weil Stoiber nicht der Kandidat sein möchte, seine Frau das schon gar nicht will, ergibt sich für Merkel eine Chance: wenn sie ihre Rolle annimmt. Allerdings ist ihre Reise in Deutschland, nach Deutschland, noch lange nicht zu Ende. Und Schröder ist im Osten ganz gut angekommen.

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