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Meinung: Selbstbetrug

ANSCHLAG IN MOSKAU

Ein Friedensprozess, bei dem der Initiator statt mit der Gegenseite mit sich selbst verhandelt, bricht irgendwann in sich zusammen. Ein Beweis dafür ist das gestrige Drama in der Moskauer UBahn, der vorläufig letzte in einer langen Reihe von Anschlägen. Er macht deutlich, dass Putin, der im Wahlkampf vor vier Jahren die Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Ordnung in Tschetschenien zur absoluten Priorität erklärte, am Ende seiner ersten Amtszeit keine nennenswerten Ergebnisse vorweisen kann. Schlimmer noch: Das Thema dürfte den heißen Wahlkampf, der in der kommenden Woche beginnt, dominieren und den Herrn des Kremls etliche Stimmen kosten. Ein mit 50 statt mit 80 Prozent wieder gewählter Präsident aber wird, wie seine demokratische Gegenkandidatin Irina Hakkamada zu Recht feststellte, mehr Rücksicht auf die Ängste einer durch fast tägliche Anschläge verunsicherten Gesellschaft nehmen müssen. Das Blutbad in der Metro dürfte Forderungen im In- und Ausland nach glaubwürdigen Verhandlungen mit den Führern der tschetschenischen Separatisten, statt mit den Marionetten Moskaus, neuen Auftrieb geben. Damit bekommt auch der von russischen Demokraten unterstützte Plan einiger Europaparlamentarier zur Stationierung von UN-Beobachtern in der Krisenregion neue Chancen. Zumal der unbewältigte Konflikt den gesamten Nordkaukasus in Brand setzen könnte. Moskaus Versuch, alle Separatisten zu Terroristen und latente Sezessionsbestrebungen als nur auf Tschetschenien begrenztes Phänomen zu erklären, bleibt ein Selbstbetrug, der die Folgen einer verfehlten Kaukasuspolitik verharmlost. win

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